piwik no script img

Kolumne So wird ein Schuh drausNiebel allein im Lift

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) mischt sich in die Sexismusdebatte ein. Er fordert einen besseren Schutz vor Belästigungen – für Männer.

Auch auf den Dienstreisen (hier in Indonesien) sorgt sich Dirk Niebel um die richtige Gewichtung in der Sexismusdebatte. Bild: dpa

F DP-Präsidiumsmitglied und Entwicklungsminister Dirk Niebel äußert sich in der Montagsausgabe der Welt zu der Sexismusdebatte, die seit der Veröffentlichung eines Beitrags der Stern-Journalistin Laura Himmelreich zu ihren Erlebnissen mit Niebels Parteikollegen Brüderle soziale Medien, aber auch traditionelle Presseorgane beschäftigt.

Während sich tausende Nutzerinnen des Netzwerks Twitter unter dem Hashtag #Aufschrei über ihre Erfahrungen mit dem alltäglichen Sexismus austauschen, zeigt sich Niebel besorgt über den Sexismus gegen Männer. Es gebe auch viele Männer, die belästigt werden. „Darüber wird kaum gesprochen, und dieser Aspekt wird extrem verschämt behandelt. Dass Männer belästigt werden, passt ja nicht zum Mainstream.“

Niebel warnt außerdem vor einer „Situation wie in den USA“, wo man als Mann einen Fahrstuhl nicht mehr betrete, wenn dort eine Frau allein unterwegs sei. „Und das aus Sorge, es könnte gegen ihn verwendet werden.“

Man sieht sie regelrecht vor sich, die FDP-Parteigranden, wie sie in der Parteizentrale im Erdgeschoß sich sammeln und ungeduldig darauf warten, dass endlich ein leerer oder wenigstens nicht von Frauen besetzter Aufzug kommen möge. Eine Lösung wäre natürlich, dass Funktionärinnen, Mitarbeiterinnen und Praktikantinnen in Zukunft die Treppe nähmen.

Die Angst lauert hinter jeder Tür

Die größte Sorge der FDP ist nun also nicht mehr, dass Wähler und Wählerinnen, unzufrieden mit den politischen Erfolgen der Partei, sich abwenden könnten. Nein. Die Gefahr lauert in geschlossenen Räumen, wo Frauen nur darauf warten, von Männern unsittlich angesprochen zu werden, um sie anschließend vor der ganzen Nation in die Pfanne hauen zu können. Oder schlimmer noch: um selber die wehrlosen Männer belästigend in die Ecke zu drängen.

Den Beleg dafür, dass die Belästigung von Männern eine irgendwie statistisch ins Gewicht fallende Größe ist, bleibt Niebel schuldig. Eine gesellschaftliche Debatte über den Sexismus gegen Männer fordert der Minister dennoch.

An der Debatte über den Sexismus gegen Frauen beteiligt er sich derweil ganz praktisch: Bei Presseterminen mit Journalistinnen sorge er ab jetzt dafür, dass nicht nur sein Pressesprecher, sondern zusätzlich noch eine weitere Mitarbeiterin anwesend sein würde, informierte er die Welt. Ob im FDP-Parteipräsidium ein Gesetzentwurf diskutiert wird, der eine nächtliche Ausgangssperre für Männer (zu ihrem eigenen Schutz, versteht sich) vorsieht, konnte bislang jedoch nicht bestätigt werden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • KK
    Karl K

    Dichter Niebel schwebte über den Wassern.

    Und die Erde war öd und leer.

     

    Ich hab mich schon gewundert, daß er selbst am Kampfanzug hie und da so glänzende Flecken hatte.

    Wollt ihm wohl wer ans Portemonaie, dacht ich immer.

    Gut, daß er das Mißverständnis ausgeräumt hat.

     

    Dirk - träum weiter.

  • IN
    Ihr Namebagger

    niebels sorge ist ne luftblase, welche frau würde ihn schon freiwillig anlangen.

  • S
    sadojoerg

    oh Herr Niebel, Sie Armer, wenn wir das gewußt hätten..

  • T
    tazitus

    So ein gewichtiger Mensch wie Herr Niebel sollte natürlich allein Fahrstuhl fahren. Aufzüge haben schließlich ihre Belästigungs- äh Belastungsgrenzen.

  • V
    vic

    Niebel empfehle ich, ab sofort zu hause zu beiben und einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren. Nur Männer versteht sich.

    Und es werden dringend Männerhäuser gebraucht für die armen Kerle; Frauenhäuser gibt es ja auch.

  • B
    Benedetto

    Der Hauptmann der Reserve wird von Frauen sexuell belästigt? Das ist so glaubwürdig wie eine noch nicht publizierte Beichte von Dominique Strass Kahn.

    Wie dämlich wird die Kampagne der FDP (und die Mithilfe der Medien) noch, um im September die 5 % Fans zusammenzuwerben?

  • DJ
    Don Juan

    Laßt uns alle noch hart dran arbeiten, dann drücken wir die Geburtenrate auf 0. Danke, Taz!

  • L
    Liane

    Ja, köstlich: "nächtliche Ausgangssperre für Männer (zu ihrem eigenen Schutz, versteht sich)".

     

    Die armen Männer.

  • NG
    [Name Gelöscht]

    "Den Beleg dafür, dass die Belästigung von Männern eine irgendwie statistisch ins Gewicht fallende Größe ist, bleibt Niebel schuldig. Eine gesellschaftliche Debatte über den Sexismus gegen Männer fordert der Minister dennoch."

     

    Aha, sexuelle Belästigung von Männern ist also irrelevant, weil sie - nach der Meinung des Autors - statistisch nicht ins Gewicht fällt? Die sexuelle Belästigung von Männern darf erst dann thematisiert werden, wenn sie einen statistisch relevanten Wert erreicht hat? Ich kann mir bei den Beiträgen der TAZ mittlerweile nur noch an den Kopf fassen. Selbst wenn nur ein einziger Mann jemals von sexueller Belästigung betroffen wäre, dann wäre dies genauso zu thematisieren und zu verurteilen, wie bei jeder einzelnen Frau auch. Das Gesetz schützt sowohl Frauen als auch Männer vor dem Tatbestand der sexuellen Belästigung. Warum sexueller Belästigung von Frauen generell mehr Bedeutung beigemessen wird als der von Männern, ist in keinster Weise nachvollziehbar, geschweige denn gerechtfertigt.

     

    Unabhängig davon kann ich es durchaus nachvollziehen, warum Männer nach einem solchen Affentanz, wie er gerade von Frau Himmelreich veranstaltet wird, zu einer von Herrn Niebel beschriebenen Reaktion neigen.

  • MM
    Max Mustermann

    "Den Beleg dafür, dass die Belästigung von Männern eine irgendwie statistisch ins Gewicht fallende Größe ist, bleibt Niebel schuldig."

     

    Der sog. alltägliche Sexismus wie er in den Talkshows immer wieder heruntergebetet wird, richtet sich eben leider nicht nur gegen Frauen. Der einzige Unterschied ist der, dass sexistisches Verhalten gegenüber Frauen gesellschaftlich nicht mehr so stark akzeptiert wird, wie noch vor ein paar Jahren.

    Allerdings ist es mir als Mann schon mehrmals auf Partys passiert das ich "angegrabbelt" wurde.

    Passiert dies einer Frau hat sie mehrere Möglichkeiten:

    Wenn sie sich lautstark aufregt sind innerhalb einer Minute mindestens zwei Männer da, die dem Grabscher deutlich machen, dass solches Verhalten nicht ok ist. Eine andere Möglichkeit wäre die gute alte Schelle. Meist sind anschließend dann auch noch die besagten zwei Männer zur Stelle.

    Wenn ich aber als Mann angegrabscht werde, wie soll ich mich da verhalten? Mir ist es ebenso unangenehm wie es einer Frau unangenehm wäre. Mache ich verbal darauf aufmerksam dass ich nicht angefasst werden will, bin ich entweder der "Scheißkerl" oder für die umstehenden Männer der "Schlappschwanz". Wenn ich, wie eine begrapschte Frau eine Schelle geben würde, wären wieder mindestens zwei Männer zur Stelle, aber dann um mir zu zeigen was sie von meinem Verhalten denken, denn so schlimm kann ein kleiner Grabscher an den Po doch nicht sein.....

     

    Bedenkt man diesen gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema, ist es auch nicht verwunderlich dass Herr Niebel keinen statistischen beweis vorlegen konnte. Es gibt ihn schlichtweg nicht. Leider.

  • F
    Falmine

    Guerilla-Marketing. So wird die FDP wochenlang im Gespräch gehalten. AUFHÖREN!