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Kolumne SachverstandDüdeldüm will reden

Wenn man sich am Telefon anhört wie Cher, gibt es immer einen Verantwortlichen. Und meistens auch gute Gründe.

„Do you believe...?“: Manche Telefone sind besser als Auto-Tune. Bild: kallejipp / photocase.de

R rrring, rrrring. Das Telefon klingelt. Wobei, eigentlich macht es eher Düdeldüm, es ist schließlich ein schnurloses, modernes. Ich sprinte zur Ladestation.

„Ja, hallo?“, sage ich.

„Ich bin’s“, sagt eine Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Wer ist ich?“, frage ich.

„Na, du bist du“, sagt die Stimme.

„Haha“, sage ich. „Und wer sind Sie?“

„Ich bin ich“, sagt die Stimme.

„Ja, das sagten Sie bereits“, sage ich. „Hören Sie, ich habe noch zu tun. Ich lege jetzt besser auf.“

„Nicht“, ruft die Stimme. „Ich bin’s. I-hich! Dein Telefon! Düdeldüm und so, schon mal gehört?“

„Äh“, sage ich. „Ja. Aber unterhalten habe ich mich bisher ausschließlich mit der Person am anderen Ende der Leitung.“

„Und genau deshalb rufe ich an“, sagt das Telefon. „Hast du mal fünf Minuten?“

„Eigentlich nicht.“

„Gut. Folgendes: Das Pferd frisst keinen Gurkensalat.“

Ich schweige, weil mir spontan keine adäquate Antwort einfällt.

„Das war einer der ersten Sätze, die je durch ein Telefon übermittelt wurden“, sagt das Telefon ungeduldig. „Achtzehnhundertirgendwas, keine Ahnung, ich hab's ja nicht so mit Zahlen. Was ich damit sagen will: Meine Vorfahren haben die Kommunikation zwischen Menschen grundlegend verändert, und trotzdem muss ich mir ständig Gespräche anhören, die mich nicht interessieren.“

„Da geht es dir wie mir“, sage ich.

Das Telefon schickt kleine Stromstöße durch die Leitung.

„Kann es übrigens sein“, sage ich, „dass du dich schon länger in meine Telefonate einmischst?“

Das Telefon knistert.

„Manche Wörter“, sage ich, „sind nämlich verzerrt. Dann höre ich mich an wie Cher.“

„Was soll ich denn machen“, ruft das Telefon. „Ich versuche doch nur, etwas zu unserem Zusammenleben beizutragen. Dieses iPhone schenkt dir mal eben das neue Album von U2, einfach so. Da kann ich nicht mithalten.“

„Eigentlich“, sage ich, „mag ich U2 gar nicht.“

„Ehrlich?“, sagt das Telefon leise.

Und dann machen wir ein wenig Hausmusik, ich am einen Ende der Leitung, das Telefon irgendwo dazwischen.

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taz am wochenende
Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).
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2 Kommentare

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  • Frau Seyboldt, welche Drogen nehmen Sie und wo kann man die bekommen?

    • Franziska Seyboldt , Autorin des Artikels, taz am wochenende
      @Karlheinz:

      Da muss ich mal meinen Kühlschrank fragen. Der kümmert sich um die Kulinarik.