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Kolumne Rote ErdeUnsichtbare Grenzlinien

Kolumne
von Markus Völker

Die Brooklyn Mall ist nicht typisch südafrikanisch - aber sie ist ein Monument der weißen Fluchtbewegung hinaus aus den Innenstädten.

I ch frage mich jetzt schon seit über 14 Tagen, wie es die Weltmeisterschaft hätte schaffen können, dieses Land zu einen, wo doch überall unsichtbare Demarkationslinien zwischen Bezirken, Vierteln, Blocks und Straßenzügen verlaufen. Sie schreiben im südafrikanischen Alltag eine Trennung fest, die so gar nicht vereinbar ist mit dem Ideal der Regenbogennation.

Wenn ich in Pretoria die Walker-Street überquere und vom nobleren Stadtteil Muckleneuk in Richtung Sunnyside gehe, dann bin ich meist der einzige Weiße unter Schwarzen. Das Einkaufszentrum an der Walker-Street ist fest in schwarzer Hand. Die paar Weißen, die hier auftauchen, sind entweder Touristen, abgefuckte Junkies oder betagte Ladenbesitzer, die das Ende ihrer kleinen Unternehmung kommen sehen.

Traurig hocken sie in ihrer Tortenbäckerei oder im Friseursalon und warten stoisch auf Kundschaft. Aber die Läden sind leer, noch nie habe ich einen Kunden in den Läden der Weißen gesehen, und ich bin fast jeden Tag hier. Beim schwarzen Friseur indes brummt der Laden. Da wird krauses Haar mit chemischen Keulen geglättet oder besser gleich zu Cornrows verarbeitet.

Bild: taz
MARKUS VÖLKER

Markus Völker ist Sportredakteur der taz und berichtet aus Südafrika.

Die Frau mit den Torten sagt, das Viertel kippt, und sie meint: Hier habe ich künftig nichts mehr zu suchen, das ist nicht mehr meine Ecke. Sie wird weiter westlich in der Stadt ziehen, in die Weißenviertel New Muckleneuk oder Brooklyn, wo auch ein Einkaufszentrum steht. Es ist viel größer als das an der Walker-Street, und es ist auch ein bisschen sauberer und besser sortiert dort. Hier sieht man kaum einen Schwarzen. Der weiße Mittelstand kauft in der Brooklyn Mall ein.

Die Brooklyn Mall könnte überall in Nordamerika oder Westeuropa stehen, sie ist nicht typisch südafrikanisch - aber nur auf den ersten Blick, denn sie ist ein Stein gewordenes Monument der weißen Fluchtbewegung hinaus aus den Innenstädten. Die Zentren sind längst von der schwarzen Bevölkerung erobert worden. Die Buren zieht es immer mehr in die Peripherie. Sobald vom "Kippen" eines Stadtviertels die Rede ist, werden die Sachen gepackt, damit man noch einen vernünftigen Preis für seine Immobilie bekommt. Die Preise verfallen schneller, als so mancher Weiße sich das ausmalen wollte. Zurück bleiben die Alten und Ärmeren.

Im Einkaufszentrum an der Walker-Street sieht man sie manchmal in einer Kneipe Fußball schauen. Es sind einsame, alte Männer mit Schnurrbärten und grauen Gesichtern. Still sitzen sie vor ihrem Bier, während die Schwarzen im Lokal tröten und Lärm schlagen. Die Weltmeisterschaft wird hier niemanden zusammenbringen, vermute ich. Versöhnung ist an der Walker-Street keine soziale Kategorie.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.

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