Kolumne Rote Erde: Blasphemie mit Blatter
In Südafrika war es soooo schön, schön profitabel vor allem, aber in Brasilien soll es noch schöner und profitabler werden. Die Fifa-Sprache kennt viele Superlative. Stagnation ist Gift.
V öllig überraschend hat Sepp Blatter verkündet, diese Weltmeisterschaft sei eine der besten aller Zeiten gewesen. Die Zeit der Bauchpinsler ist ja schon seit Längerem angebrochen hier am Kap. Man hat sich die schönsten Gemälde auf die Wampen gemalt. Blatter bei Zuma, Zuma bei Blatter, Jordaan, der OK-Chef, bei Zuma und Zuma bei Jordaan.
Fein haben das die Burschen wieder hingekriegt. In Südafrika war es soooo schön, schön profitabel vor allem, aber in vier Jahren in Brasilien soll es natürlich noch schöner und noch profitabler werden. Die Fifa-Sprache kennt viele Superlative. Stagnation ist Gift. Alles muss größer werden. Viel größer. Auch im Reich des Sepp Blatter.
Das ist wie in der Wirtschaft. Umsatz, Ebitda, Gewinnmargen - alles muss immer nur steigen. Und wächst es nicht, dann bricht die halbe Welt zusammen. Aber die Frage sei erlaubt: Geht es nicht auch ein bisschen kleiner, Herr Blatter? Warum müssen 32 Teams mit zum Teil zweifelhaften fußballerischen Fähigkeiten wie Nordkorea lange, sehr lange fünf Wochen um einen Pokal spielen? 1978 reichten noch 16 Teams, aber seit 1998 wird mit 32 Mannschaften geplant. In 32 Jahren hat sich die Teilnehmerzahl verdoppelt.
Markus Völker ist Sportredakteur der taz und hat während der Fußball-WM aus Südafrika berichtet.
Werden wir also 2042 mit 64 WM-Teams rechnen müssen und einer Spieldauer von zwei Monaten? Wird es irgendwann vielleicht eine durchgehende Weltmeisterschaft geben und dafür keinen Ligabetrieb mehr? Wer stoppt den Irrsinn? Die Uefa jedenfalls nicht. Denn die hat auch aufgestockt. Ab 2016 spielen 24 Teams um die Europameisterschaft. Und dem europäischen Verband reicht auch längst nicht mehr nur ein Gastgeberland, es müssen meist zwei sein. In zwei Jahren werden das Polen und die Ukraine sein. Das ist eigentlich eine Steilvorlage für den Sepp.
Gut, er hat die Sache mit Japan und Südkorea ausprobiert, aber er könnte künftige Weltmeisterschaften ja auf zwei Kontinenten veranstalten: Ägypten und Jemen, Australien und Papua-Neuguinea, Indien und Armenien. Komischerweise hat dem Sepp die Zweiländersache nicht so gut gefallen. Er hat gemerkt, dass man bei der Expansion aufpassen muss, es gibt halt Grenzen des Wachstums. Südafrika kam da wie gerufen.
De facto wurde die WM in einem Land ausgespielt, unter Propagandagesichtspunkten fand sie aber in ganz Afrika statt. Blöd nur, dass Afrika auf dem Platz erst auf die Größe Ghanas schrumpfte und dann auf die Größe von, nun ja, nichts. Aber das darf man so nun auch wieder nicht sagen, das ist ja fast schon Blasphemie, denn groß war sie, die WM, bunt, einmalig, trötig-laut, super, genial und die beste sowieso. Sagt die Fifa. Und die Fifa hat immer recht.
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