Kolumne Pressschlag: Schuss und Gegenschuss

Never change a winning film! Schließlich funktioniert eine Bundesligasaison wie Kino. Und Bayernjäger des verlorenen Schatzes gibt es immer wieder.

Franck Ribery und Jupp Heynckes

Nicht im falschen Film: Die finstere Macht aus dem Süden wurde wieder Meister Foto: Imago / ActionPictures

Im Großen und Ganzen unterscheidet sich die Dramaturgie einer Bundesligasaison nicht wesentlich von der eines neunzigminütigen Abenteuerfilms. Diese Dramaturgie hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Und zwar so erfolgreich, dass das Publikum geradezu bockig reagiert, wenn versucht wird, gleich mehrere Paradigmen gleichzeitig zu ändern.

Erinnern wir uns kurz an die Abenteuerfilme. Da gibt es welche, bei denen uns schon die Titel wichtige Hinweise auf die zu erwartende Geschichte geben. Nicht selten sind das diejenigen, die vom Publikum am meisten geliebt werden. Der Film heißt „Nur 48 Stunden“? Dann darf der Held nicht schon nach anderthalb Tagen siegen. „The Longest Day“ darf nicht schon zur Kaffeepause enden. Und dass es nur ein Datum gibt, an dem „Freitag, der dreizehnte“ spielen kann, versteht sich von selbst. Natürlich gab es Parodien wie „Samstag der vierzehnte“, bei denen Putzfrauen am Morgen nach dem Gemetzel versuchen, die Wohnung wieder in Ordnung zu bringen. Aber solche Filme werden meistens von Jungs angesehen, die zu viele Chips essen und Frauen nur von Bildschirmen kennen.

Für die Dramaturgie einer Bundesligasaison braucht das Publikum zunächst einen scheinbar unbezwingbaren Bösen, der von Sieg zu Sieg eilt. In den letzten Jahrzehnten hat sich der FC Bayern München in dieser Schurkenrolle bewährt. Andere Modelle gibt es durchaus, etwa in der Premier League, doch Deutschland scheint sich am wohlsten damit zu fühlen, dass der FC Bayern sich jeweils drei bis fünf Jahre lang am selben Gegner abarbeitet. Ist den Münchnern doch egal, ob der aktuelle Wadenbeißer gerade aus Mönchengladbach kommt, aus Dortmund oder gar Bremen! Danach ist die Welt wieder im Lot, und die Kontrahenten brauchen Jahre, manchmal gar Jahrzehnte und etliche Abstiege und Finanzkrisen, um sich von ihrem Bayernjägerjob wieder zu erholen.

In den letzten Jahrzehnten hat sich der FC Bayern München in der Schurkenrolle bewährt

Kann sich eigentlich noch jemand erinnern, wann der HSV oder der 1. FC Köln zum letzten Mal Deutscher Meister war? Na gut, das geschah in einem vergangenen Jahrtausend. Da kann man schon mal durcheinanderkommen.

Müller-Wohlfahrt und das Saisonende

Wenn Sie sich sicher sein wollen, ob der alte Kerl aus Ihrem Haus noch im selben Teil der Realität lebt wie Sie und die Mehrheit der Gesellschaft, dann schleichen Sie sich bei Gelegenheit einfach vorsichtig von hinten an ihn heran. Singen Sie unbegründet fröhlich: „Jung, Schwung, Stimmung …“ Antwortet er lachend: „Joghurette!“, dann wird der Nachbar wahrscheinlich noch den nächsten Weihnachtsbaum schmücken dürfen. Schenken Sie ihm bei Gelegenheit eine Schachtel Lux Filter oder eine Packung Russisch Brot. Dann freut er sich. Und wer weiß? Vielleicht ist ja auch noch ein bisschen Platz in seinem Testament?

Aber zurück zum Thema. Bis zur Weihnachtspause tut sich in der Bundesliga eigentlich gar nichts Besonderes. Die Bayern ziehen zehn oder 20 Punkte weit weg. Dann bekommen Sie Probleme. Nichts wirklich Ernsthaftes, aber immerhin: Ab dem Achtelfinale kann man nicht mehr in jedem Turnier mit einer B-Mannschaft auflaufen. Wer nun nicht mehr berücksichtigt wird, bereitet sich in der Praxis von Dr. Müller-Wohlfahrt auf die kommende WM vor.

Und dann, Ende April, ist wieder eine Saison vorbei.

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