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Kolumne PressschlagMietfußballer mit Lackschäden

Kolumne
von Johannes Kopp

Der FC Bayern streitet mit dem holländischen Verband um verletzte Spieler wie Arjen Robben und Mark van Bommel. In der Sache ist das korrekt, im Tonfall aber wahnwitzig.

Hauptgrund des Ärgers: Die Verletzung des Arjen Robben. Bild: dpa

A rmes Hannover! Da kämpfen der Verein und Trainer Mirko Slomka gerade emsig gegen ihr Graue-Maus-Image an, haben sich nach sieben Spieltagen vom taumelnden FC Bayern abgesetzt, fahren nun am Samstag als stolzer Tabellendritter zu eben diesem aufs Mittelmaß gestutzten Branchenprimus - und doch nimmt dort keiner Notiz von den erstarkten Niedersachsen.

Die Münchner heizten dieser Tage nämlich eine Diskussion an, die aus ihrer Sicht mindestens weltweite Tragweite hat. Wer wollte da noch über Hannover sprechen? Der FC Bayern gibt sich lieber mit prominenteren Gegnern ab: dem holländischen Fußballverband etwa, der Uefa und der Fifa. Im Kern geht es um den Streit, ob nicht die Landesverbände für Verletzungen ihrer Auswahlspieler haften müssen. Oder wie es Karl-Heinz Rummenigge dem deutschen Fußballfan erklärt: "Wenn ich ein Auto miete, muss ich das ja auch in ordentlichem Zustand zurückgeben."

Die Herren von der Säbener Straße werfen dem holländischen Verband vor, mit ihren Spielern nicht pfleglich umgegangen zu sein. Der Streitfall Arjen Robben, der verletzt von der WM aus Südafrika zurückkehrte, dauert ja nun schon einige Monate an. Auf einen höheren siebenstelligen Betrag beziffert man in München den Schaden seines Ausfalls, den man sich notfalls juristisch erkämpfen will. Und so kommt es wohl nicht von ungefähr, dass die Bayern diese Woche nachlegten.

Sie behaupten, am Dienstag hätten die Niederländer auch Mark van Bommel gegen jegliche medizinische Vernunft eingesetzt. Auch auf ihn müssen die Münchner zumindest kurzzeitig verzichten. Im Vorfeld der besagten Partie gegen Schweden hatten die Bayern öffentlichkeitswirksam "Van Bommel bei Fuß!" gerufen. Der Bayern-Kapitän solle sofort das Nationalteam verlassen und nach München zurückkehren, lautete der Befehl. Doch van Bommel gehorchte nicht, beziehungsweise seine Landsleute ließen ihn nicht ziehen.

Grundsätzlich ist der Unmut des FC Bayern nachvollziehbar. Und vielleicht wird sich der Verein mit seinem berechtigten Anliegen durchsetzen, dass künftig europaweit alle Verbände Versicherungszahlungen für ihre Auswahlspieler leisten müssen, wie es der DFB schon jetzt handhabt. Eine Selbstverständlichkeit eigentlich, ist doch jedes seriöse Arbeitsverhältnis so gestaltet.

Dieser vernünftige Aspekt geht allerdings angesichts des Wahnwitzes, mit der der FC Bayern seine Attacke führt, geradezu unter. Die Münchner unterstellen den Niederländern vorsätzliche Fahrlässigkeit im Umgang mit Auswahlspielern, auf die der Verband ja selbst künftig angewiesen ist. Auch wenn der Mannschaftsarzt Dr. Müller-Wohlfahrt alles sportmedizinische Wissen für sich gepachtet zu haben scheint, werden die Bayern diese Beweisführung nie erbringen können. Auch die Berechnung der Schadensersatzforderungen hat so seine Tücken, bewegt man sich doch im Fußball in einem vagen, hypothetischen Bereich. Wer weiß, welchen Schaden ein WM-müder Arjen Robben auf dem Feld angerichtet hätte?

Läge es angesichts des schlechten Bundesligastarts da nicht näher, im hanseatisch-kaufmännischen Stile von Werder Bremen die Schadensersatzforderungen an die eigene Mannschaft zu richten und die Gehälter einzufrieren? Gegen Hannover werden bei den Bayern neben Robben und van Bommel etliche Spieler ausfallen, die sich bislang nicht bewährt haben. Möglicherweise könnte sich das gar als nützlich erweisen. Andernfalls wird dann endlich einmal über Hannover geredet.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

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