Kolumne Pressschlag: Magath gegen van Gaal
Bei Felix Magath und Louis van Gaal steht immer die Frage im Raum: Wer sind sie, was treibt sie, was ist ihr Geheimnis?
S o intensiv und liebevoll, wie sich die Politikredaktion der Zeit tagein tagaus mit Gemüt, Herz und Psyche von Angela Merkel beschäftigt (Was mag nur in ihr vorgehen?), so macht es der Rest des Landes mit den Fußballtrainern Louis van Gaal und Felix Magath.
Sicher, auch van Gaals Ballbesitzspiel und Magaths Kraft- und Konterfußball sind bisweilen Gegenstand der Erörterungen, so wie sich ja auch die Zeit um politische Sachfragen nicht herumdrückt, keineswegs. Aber die Leidenschaft steckt doch in der Beschäftigung mit der menschlichen Psyche. Also, bitte.
An diesem Samstag treffen sie aufeinander: Mag auch Schalke gegen Bayern derzeit kein Spitzenspiel sein, Magath gegen van Gaal ist das Maximale, was die Bundesliga hergibt.
Da kommt kein anderer Trainer mit, selbst Jürgen Klopp nicht, der selbstredend auch autoritär ist, dem aber – bisher – der Anschein von Abgründigkeit fehlt. Was sollte man in ihn hineingeheimnissen?
Peter Unfried, 46, ist Chefreporter der taz.
Ralf Rangnick, Jupp Heynckes, Thomas Tuchel, Thomas Schaaf - alles Spitzentrainer, von denen indes – und gottseidank – keiner wissen will, was "wirklich" in ihnen vorgeht. Bei van Gaal und Magath ist das anders.
Immer steht die Frage im Raum: Wer sind sie, was treibt sie, was ist das Geheimnis?
Sie sind klassische Heilsfiguren des Fußballspublikums in Zeiten flacherer Hierarchien und einer gewissen Aufklärung durch Verwissenschaftlichung. Die Botschaft lautet: Wenn alle das machen, was ich sage, wird großes Glück über euch kommen: Hier der erste Champions League-Titel seit einem Jahrzehnt, dort die erste Meisterschaft seit der Fußballsteinzeit.
Beide arbeiten gleichzeitig daran, omnipotent zu erscheinen und nach außen zu verschleiern, dass es ihnen um die totale Unterwerfung geht. Auch aus fachlichen Gründen: Sie halten das für die Grundlage ihres Erfolgs.
Van Gaal hat eine Art eigener Herrscherleutseligkeit in der Außendarstellung entwickelt. Magaths Entwurf besteht darin, sich sehr herunterzudimmen und damit kleiner zu erscheinen, als er ist und sich sieht: moderate Stimmlage, konziliantes Entgegennehmen von Kritik, keine Herrschergesten. Aber immer schwingt ein "Vae victis" mit - oder?
Auf den ersten Blick ist Magaths aktuelles Problem tabellarisch sofort verständlich, Schalke ist 15. Van Gaals Problem dagegen nicht: Der FC Bayern steht in einer Nach-WM-Saison in Champions League, Pokal und Liga solide bis gut da - der nicht kalkulierbare Ausreißer ist der unerwartbare Lauf des weit weniger WM-strapazierten BVB.
Dennoch ist van Gaal schon angezählt worden, von Präsident Uli Hoeneß. Der Grund - wir befinden uns hier in einem Psychoartikel - ist verschmähte Liebe. Hoeneß, wie jeder klassische Fan des 20. Jahrhunderts, möchte seinem Klub soviel geben wie möglich. Aber van Gaal braucht seine Liebe nicht und hat ihn zurückgewiesen.
"Louis", rief der Vorstandsvorsitzende Rummenigge diese Woche bei der Jahresversammlung in den Saal, "du weißt genau, dass wir dir alle helfen wollen."
Sie betteln darum. Er aber möchte auf diese Hilfe unbedingt verzichten, weil er sie sogar für kontraproduktiv hält. In seinem doppelbändigen Epos "Lebenswerk & Vision" hat er das klargemacht. "Rummenigge und Hoeneß sagten: ,Louis, wir tun das doch alles auch für dich, da kannst du doch nicht allein entscheiden.‘ Ich antwortete: ,Doch, ich kann.‘ "
Und darunter leiden sie, viel mehr als unter ein paar Niederlagen oder dem fehlenden Champions League-Pokal. Die Niederlagen aber sind ihre einzige Gelegenheit. Entweder um die liebevolle Hilfe jetzt doch durchzusetzen - oder um zügig einen anderen zu installieren, der ihre Liebe nicht verschmäht.
Die Schalker leiden übrigens auch daran, dass Magath sie nicht liebt. Magath hält das für die Voraussetzung von Erfolg in Schalke. Selbst wenn das stimmt: Es wird ihnen immer klarer, dass sogar eine Meisterschaft sie nicht glücklich machen wird. Weil es nur Magaths Meisterschaft wäre - und niemals ihre.
Meine Prognose: Tore werden fallen. Tränen werden fließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern