Kolumne Pressschlag: Kein Esel, nirgends
Nach dem Clou in Madrid bleibt selbst den minderwertigkeitsbeladenen München-Hassern die Spuke weg.
M an wird es mir nachsehen (müssen), dass ich die Gelegenheit hier nutze, um ein bisschen nachzutreten. Denn in Frankfurt hält sich, obschon aufgrund der spätestkapitalistischen Zerstörungs- und Akkumulationswut nahezu alles in atemberaubendem Tempo unter die Räder gerät (Stadtbild, Kneipenmilieus, soziale Sitten), eines zäh am Leben: der infantile und bisweilen rasende, sich aus einer Mischung aus fußballerischem Narzissmus und minderem Selbstwertgefühl nährende Zorn auf den FC Bayern München.
Seit ich in dieser leidlich schönen Stadt lebe, geht mir das auf den Geist, indes mit stark abnehmender Intensität. Meistens ist mir das vollautomatische, überraschungsfreie Gegeifer all der Truppen zerebral eingeschränkter Eintracht-Kläffer sogar komplett egal. Es ist ermüdend, es ist so fad und grunzdumm wie das zyklisch anhebende Krisengeschnatter all der journalistischen Paladine und Schwachköpfe, die ihren Herren so treu dienen wie die Schweizergardisten der Oberkartoffel von Rom.
Vorvergangene Woche, nach dem 2:1 der Bayern gegen Madrid, allerdings platzte mir der Kragen, als mich Freund Martin S. mit den allerabgegriffensten Plattitüden betreffs Chancenlosigkeit der Münchner im Rückspiel überschüttete. Katarakte an Gemeinplätzen stürzten auf mich herab, und weil das nicht genügte, schickte er mir später einen Beitrag aus dem Blog Rudelbildung (der Wahrheit halber sei gesagt: Martin ist Köln-Fan, aber das macht es auch nicht besser).
ist Autor der taz.
Lesen durfte ich da also: „Natürlich ist ein 2:1-Sieg besser als ein 1:1, jedoch sollte man aufpassen, es nicht nur so darzustellen, als ob Bayern sich eine super Ausgangslage erarbeitet hat. (…) Bayern war gut, keine Frage, jedoch wurde auch deutlich, dass Real selbst an einem schwächeren Tag mithalten kann. Im Rückspiel werden die Kräfteverhältnisse anders verteilt sein, Real wird mehr Ballbesitz haben und wesentlich druckvoller agieren als im gestrigen Spiel. (…) Dass Madrid über den besseren Kader verfügt, steht natürlich ebenfalls außer Frage, jedoch zeigten die Bayern, dass man mit einem guten Einsatz als Mannschaft individuelle Qualität zum Teil ausgleichen kann. Doch auch hier muss man aufpassen.“
Sicher, Schlaumeierei post festum ist keineswegs charmanter als die prognostische. Trotzdem lasse ich es mir nicht nehmen, den FC Bayern abermals zu lobpreisen. Das heißt, das erledigt Freund und Kollege Stefan Gärtner für mich, der mir schreibt: „Nicht ein Esel hat sich zu irgendeinem Duselgewäsch verstiegen, schon eher im Gegenteil: ’Das unglaublich hohe Niveau der Profis, die europäische Spitze des Fußballs verlässt langsam den Bereich Sport und betritt die Regionen des Zirzensischen. Das hatte Größe.‘ (Peter Heß, FAZ) Genau.“ Musste mal gesagt werden. Auch wenn es nicht gesagt werden musste. Und die Eintracht steigt nächstes Jahr ordnungsgemäß wieder ab.
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