Kolumne Pressschlag: Schonwaschgang mit Weichspüler
Im ZDF-Werbespot schießt eine Nationalspielerin einen dreckigen Ball in die Waschmaschine. Was soll der Quatsch? Und warum spielt die deutsche Elf so miserabel?
W ährend die NSA just in dieser Sekunde wieder zwei Millionen Terabyte Daten aus deutschen Privatnetzen absaugt und Innenminister Hans-Peter Friedrich, der gerade in den USA brav Pfötchen gibt, dazu freundlich nickt, empört sich Frauenfußball-Deutschland also über einen schmutzigen Fußball, der von einer Kickerin recht gekonnt in eine Waschmaschine geschossen wird.
Es ist Frauenfußball-EM in Schweden, sagt der ZDF-Spot, schaut doch mal rein, liebe Zuschauer. Mehr ist da nicht. Der Spot ist handwerklich gut gemacht, weder spektakulär noch fad. Und doch erregen sich die Gemüter im Netz, weil ein Frauenbein neben einer Waschmaschine reicht, um ein Assoziationsnetz des Verdachts über die vermeintlich reaktionäre und schwer sexistische ZDF-Truppe zu stülpen. Könnte sie es womöglich ironisch gemeint haben? Wollte man sich spielerisch an Klischees heranwagen? Diese Fragen sind offenbar nicht wichtig, weil Surfen auf der Empörungswelle mehr Spaß macht als der analoge Dreikampf Nachdenken, Abwägen und Erörtern.
Nun ist das ZDF, allgemein das Öffentlich-Rechtliche, nicht vor Fehlern gefeit. Da hat es beim EM-Auftaktspiel der Deutschen gegen Holland ein Kommentator, Norbert Galeske, ans Mikrofon geschafft, der nicht als Journalist auftrat, sondern als Anwalt des Frauenfußballs. Aber wann kapieren es die Berichterstatter endlich mal: Die Frauenfußballerinnen brauchen keine Medienfuzzis, die sie mit Wattestäbchen abtupfen. Diese Spielerinnen sagen „Mannschaft“ und „Kapitän“. Und sie lachen eher über verkniffene Frauenfußballversteher aus den Redaktionen.
ist Sportredakteur der taz.
Warum fällt es so schwer zu sagen, dass die deutsche Mannschaft einfach mal hundsmiserabel gespielt hat gegen Holland, weit unter den Erwartungen blieb und hoffentlich jetzt endlich mal den Arsch hochkriegt. Warum redet keiner über das Coaching von Trainerin Silvia Neid, die nur noch im Amt ist, weil es ein gewisser Theo Zwanziger so wollte.
Sechs Millionen Zuschauer
Stattdessen säuselte Kommentator Galeske, die jungen Spielerinnen hätten sehr viel Spaß im Training und seien auch sehr motiviert. Ach wirklich, ist ja ein Ding!? Diese Art des wohlmeinenden Gefasels hat der Frauenfußball nicht verdient. Er fühlt sich zwar recht wohl in der Nische, aber deswegen muss man ihn ja nicht behandeln wie eine vom Aussterben bedrohte Art. Psst, bloß nichts Kontroverses sagen, das scheue Tierchen könnte ja vor Aufregung umkippen.
Sechs Millionen haben dem Treiben in Växjö am Donnerstagabend zugeschaut. Eine gute Quote. Das kennt man von der Frauen-WM in Deutschland. Damals versuchte man das ganz große Ding aus dem Nischensport zu machen. Alles sollte so sein wie bei den Männern: Überschwang, Autofähnchen und so. Es kam anders. Fast schien es, als hätte das fußballerische Unbewusste den Spielerinnen befohlen, die Erwartungen zu enttäuschen. Jetzt haben sie es schnuckelig im schönen Schweden. Wenn da bloß nicht dieser blöde ZDF-Spot wäre, über den alle reden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance