Kolumne Press-Schlag: Schwiegersöhne sind hip

Jürgen Klinsmann erweist sich als ergebener Quasischwiegersohn des Maurermeisters Trapattoni.

Der Schwiegersohn führt eine an Ansehen oft bescheidene Rolle. Bewundert werden nur die blendenden Schwiegersohntypen; die wirklichen aber selten geliebt, oft nur geduldet. Oder es kommt gleich zu offenen Reibereien. Man denke nur an Ekel Alfred Tetzlaff und Schwiegersohn Michael. In Märchen und Sagen werden ungewollte Schwiegersöhne gern von Königen hinweggemeuchelt.

Der Schriftsteller Paul Lafargue ("Das Recht auf Faulheit") lästerte über das Sujet seines Schwiegervaters Karl Marx: "Arbeit kann gar nichts Gutes sein, sonst hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." Und Cäsarmörder Brutus war als Abkömmling von Cäsars zeitweiliger Geliebter Servilia so was wie des Imperators Quasistiefschwiegersohn. Hieß es nicht: "Auch du mein Schwiegersohn Brutus?"

Im sozialen Spezialbiotop Fußball sind Schwiegersöhne dagegen hip. Die Nationaltrainer van Marwijk (Holland) und Maradona (Argentinien) haben ihre Töchtergatten Mark van Bommel und Agüero im Kader. Als der Italiener Daniele de Rossi neulich doppelt für die Squadra Azzurra traf, sagte er: "Die Tore widme ich meinem Schwiegervater." Der Mann war ein Bankräuber, der gerade von Komplizen erschossen worden war, weil er mit der Beute durchbrennen wollte.

Durchgebrannt ist vergangene Woche auch Ewald Lienen samt seiner Sippe. Fast drei Jahre war er erfolgreicher Coach von Panionios Athen (u. a. Uefacup), seit Sommer 2007 arbeitete der Gatte von Lienens Tochter Sarah, Freiburgs Exprofi Abder Ramdane, als Assistenztrainer. Jetzt geriet der Schwiegersohn mit einem Spieler in eine Schlägerei, angeblich schuldlos - es gab heftigen Zwist und der symbiotische deutsche Familienverbund ließ alle Verträge lösen. Und die Bundesliga?

Haben die Trainer keine heiratswilligen Töchter? Unnötig: Wir erleben Spieler, die auch ohne Weibsbindung sich wie liebende Söhne ihrer väterlichen Trainer verhalten. Mohammad Zidan und Jürgen Klopp - welche rasende Innigkeit. Der winzige Marko Marin versunken an der Brust des Riesen Hans Meyer. Großes Kino. Zwei Quasischwiegersöhne der Liga.Gemeinsam inzestös verbandelt mit dem Ball, der Mutter und Hure, Muse und Geliebte aller ist.

Unerreichbar bleibt Jürgen Klinsmann. Der blendendste Schwiegersohntyp der Liga ist ein Magier, der stets das dominante, aggressive und offensive Spiel verspricht und dann wie ein ergebener Schwiegersohn des großen Maurermeisters Trapattoni agieren lässt. So zuletzt erfolgreich in Schalke und jetzt erfolglos in Gladbach. Klinsmann hat den FC Bayern umgeformt - zur zeitweilig zynischen Betonfabrik, gegen die Ottmar Hitzfeld offensiven Spaßfußball spielen ließ. Schwiegersöhne sind schon eine Spezies für sich.

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