Kolumne Press-Schlag: Der 2.000-Dollar-Witz
Statt einer Sperre gab es für die 13-fache Grand-Slam-Siegerin Serena Williams eine Geldstrafe. Der Fall zeigt, dass Tennis vor dem Kapitalismus kapituliert hat.
S eien wir ehrlich: Für das Grand-Slam-Komitee und den Internationalen Tennis Verband (ITF) stellten sich die Fragen kaum. Wenden wir für den Fall Serena Williams das Regelwerk an? Disqualifizieren wir Williams für die US Open 2012 und verbannen damit ausgerechnet den letzten verbliebenen Star und die einzige wirklich polarisierende Figur im aktuellen Frauentennis?
Das war passiert: Im US Open-Finale gegen die Australierin Samantha Stosur, das Williams glatt in zwei Sätzen verlor, nannte die US-Amerikanerin Schiedsrichterin Eva Asderaki eine "innerlich verdorbene, hasserfüllte" Person. Grund: Asderaki hatte Williams einen Punkt aberkannt, weil sie noch während des Ballwechsels "Come on" gerufen hatte. Irritierend für die Gegnerin, folgerichtig Punkt für Stosur.
Weil Williams bereits während der US Open 2009 wegen Schiedsrichterinnenbeleidigung verwarnt worden war, stand sie unter Bewährung. Eine Sperre wäre folgerichtig gewesen. Stattdessen: 2.000 Dollar Strafe. Ein Witz. Allein ihr Arbeitslohn bei den US Open beziffert sich auf 1,4 Millionen Dollar. Doch im Frauentennis ist man zu abhängig von den wenigen Stars, als dass man es sich leisten könnte, eine 13-fache Grand-Slam-Siegerin zu sperren.
ist Mitarbeiter im taz-Ressort Leibesübungen.
Denn das Frauentennis hat ein Qualitäts- und ein Imageproblem. Nichts könnte das besser auf den Punkt bringen als die Causa Williams. Die zweite Causa Williams. Denn nachdem sich die andere (Venus) mit schwankenden Leistungen wohl aus der Weltspitze verabschiedet hat, gehen die Zugpferde aus.
Anders bei den Männern: Federer, Djokovic, Nadal, diese Namen stehen für Konstanz auf hohem Niveau. Wir erleben eine Blütezeit des Tennis, aber nur des männlichen. Bei den Frauen hat neben den Williams-Schwestern momentan nur Maria Scharapowa Starpotenzial, das aber weniger aus spielerischen, sondern vor allem optischen Gründen. Die Russin scheiterte in New York schon in Runde drei.
Der Rest sind Spielerinnen, die austauschbar scheinen. Oder kennen Sie Caroline Wozniacki? Die farblose Dänin ist die Nummer eins der Tenniswelt, hat aber noch keinen Grand-Slam-Titel gewonnen. Mit der Russin Vera Zvonareva, der Nummer vier der Welt, Wimbledonsiegerin Petra Kvitova aus Tschechien oder der Weißrussin Wiktoria Asarenka gibt es zwar hoffnungsvollen Nachwuchs, dem aber entweder sportliche Klasse oder Vermarktbarkeit fehlen. Und diese Vermarktbarkeit bestimmt, das zeigt der Fall Williams, nicht mehr nur die Dotierung der Werbeverträge, sondern neuerdings offensichtlich auch die Regelauslegung.
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