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Kolumne Press-SchlagGar nicht doofe ach so Doofe

Martin Krauss
Kolumne
von Martin Krauss

"Erst hatten wir kein Glück. Dann kam auch noch das Pech dazu": Fußballer werden nur allzu gerne als Volltrottel vorgeführt. Meist geschieht dies zu Unrecht.

Kein Depp - zumindest, wenn es um Schach und Würfel geht: Lukas Podolski. Bild: reuters

F ußballer sind dumm, das ist ja bekannt. Der Lukas Podolski beispielsweise hat gesagt: "Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel." Das Zitat findet sich in so mancher Qualitätszeitung. Blöd nur, dass der Satz nicht von dem Kölner Stürmer stammt. Der Komiker Jan Böhmermann hat ihn ihm in den Mund gelegt.

In der Bereitschaft, das Zitat als O-Ton Podolskis zu glauben, offenbart sich eine Überheblichkeit der ach so gebildeten Schichten. Mit dem Spott über die doofen Fußballer wollen Bildungsbürger sich selbst erhöhen. Dem Trainer Gyula Lóránt wird der Satz nachgesagt: "Der Ball ist rund. Wäre er eckig, wäre er ja ein Würfel."

Ein gaga Satz, nicht wirklich dazu angetan, die Reputation des Mannes, der als Spieler zur ungarischen Wundermannschaft der fünfziger Jahre gehörte, zu heben. Doch auch dieses lustige Würfelzitat stammt von einem Witzbold: dem Satiriker Klaus Hansen, der es Lorant in den Mund geschoben hat.

Der Autor

Martin Krauss ist freier Autor der taz.

Als Klassiker gilt Horst Szymaniak. Von dem wird kolportiert, er habe in den fünfziger Jahren, als man ihm die Beteiligung an einer Tankstelle anbot, erwidert: "Ein Drittel? Nee, ich will mindestens ein Viertel!"

Was Szymaniaks darin angedeutete Geschäftsuntüchtigkeit angeht, muss man aber darauf verweisen, dass er zu den ersten deutschen Auslandsprofis zählte und 1964 mit Inter Mailand als erster Deutscher den Europapokal gewann. Auch wenn er im Finale auf der Bank saß, war das kein Karriereschritt, den einer unternimmt, der doch zu blöd ist, eine Tankstelle zu erwerben.

Schützenfest in Erkenschwick

Von Horst Szymaniak kursiert noch ein anderes Zitat. "Das kenne ich vom Schützenfest in Erkenschwick", soll er bei der WM 1958 zum schwedischen König über dessen Uniform gesagt haben. Der Schriftsteller Hans-Dieter Baroth hat diese Episode recherchiert.

Heraus kam: Der Satz ist nie gefallen. Stattdessen hatte sich Szymaniak den Unmut des DFB zugezogen, weil er entgegen der Etikette dem König beim Handschlag in die Augen geschaut hatte. Vor Bundestrainer Sepp Herberger rechtfertigte Szymaniak seinen Mangel an Respekt so: "Kein Kniefall, auch nicht vor gekrönten Häuptern."

Was der angeblich so dumme Horst Szymaniak in Wirklichkeit getan hatte, war eine demokratische und republikanische Selbstverständlichkeit. Ganz nebenbei gesagt: eine, die die klügere und gebildetere deutsche Gesellschaft nicht hinbekommen hat - nicht nur 1958 nicht. "Erst hatten wir kein Glück. Dann kam auch noch das Pech dazu." Keine Anthologie mit dämlichen Fußballerzitaten kommt ohne Jürgen Wegmann aus.

Wer ist dumm? Wer ist dümmer?

Dabei lohnt es sich, den Satz des früheren Bundesligastürmers einmal genau anzuschauen. Wegmann beschreibt zunächst eine neutrale Situation, die seine Mannschaft nicht zum Erfolg wenden kann: Das Glück (Tor) fehlt, dann kommt das Pech (Gegentor). Der vielfach verspottete Satz Wegmanns ist also eine etwas intelligentere Variante des Diktums des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre: "Im Fußball verkompliziert sich alles durch das Vorhandensein der gegnerischen Mannschaft." Über Sartre lachen übrigens die Fußballer.

Der deutsche Soziologe Rainer Paris hat schon 1983 die Formulierung geprägt: "Der Satz 'Der Ball ist rund' hat eine gewisse philosophische Tiefe." Es war Paris' sympathischer - aber leider bestenfalls arrogant belächelter - Versuch, das legendäre Herberger'sche Gesetz "Der Ball ist rund" einer geisteswissenschaftlichen Deutung zu unterziehen: dass nämlich der Satz die prinzipielle Unprognostizierbarkeit und Unabschließbarkeit des Fußballspiels andeutet, mithin sowohl das Gleichheits- als auch das Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft enthält.

Zugleich beschreibt der Satz die globale Bedeutung des Fußballs, denn seine einfachen Regeln sind überall auf der Welt verständlich. Was Sepp Herberger also in bewundernswerter Kürze formuliert hat, ist eine bis heute aktuelle Erklärung des Kulturfaszinosums Fußball.

Wir hätten also gelernt: Fußballer sind nicht dumm. Zumindest nicht dümmer als ihre Kritiker.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

8 Kommentare

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  • Z
    zentrifugal

    Noch einmal zur Wegmann: Natürlich hat er völlig Recht! Nicht zufällig unterscheidet man beim magischen Denken seit Jahrtausenden zwischen Amulett und Talisman.

  • B
    bärbelchen

    @ Dirk. Würd mir nicht einfallen, jemand für dümmer zu halten wegen ein oder auch dreißig Fehlern. Wir denken aber oft zu unüberlegt. Da nehm ichmich mit rein. Scheinbar kamen meine Worte bei Ihnen überheblich an. Das tut mir leid. Ich wollte nicht beleidigend sein. Genau darum gings ja eigentlich sogar, dass wir ins alle gerne schnell überheben.

  • D
    Dirk

    @bärbelchen:

    Was möchten Sie den Besuchern der taz-Webseite damit sagen? Dass Sie schlauer sind als viccy?

    @viccy: sein Sie jetzt bitte nicht eingeschnappt: Bärbelchen sieht's Ihnen nach, sie findet Sie gar nicht beschränkt. Nein, sie findet nur, dass Sie Dinge nachplappern, und das ist ja mal wirklich überhaupt gar nicht schlimm. Zumal wenn man auf so liebenswürdige Weise korrigiert wird, wie bärbelchen das tut.

  • H
    HaraLD

    noch 'ne Anmerkung:

    jeder, der sich über die tumben Balltreter stellt, sollte mal folgenden Selbstversuch starten:

    1) 90 Minuten plus Nachrennzeit durch die Straßen sprinten

    2) anschließend Diktiergerät einschalten und

    3) in höchstens 2 druckreifen Sätzen zusammenfassen, was man so erlebt hat.

     

    Von meinem Arzt verlange ich ja auch nicht, dass er seine Diagnosen beim Rennen abgibt...

  • B
    bärbelchen

    Schöne Kolumme. Stimmt genau. Wir "Ernstzunehmemden Denker" denken oft zu eimdimensional und auch etwas ohne Herzensbildung. Wir nehmen wahr, was wir erwarten (wollen). Vicci zum Beispie, die hier postete, glaubt nunmehr Poldi habe den Commedian sinnlos nachgeplappert

    Dabei ist sie es, die etwas falsch interptetiert. Kann passierem Vicci

    Deswegen bist du nicht gleich beschränkt. Aber auch nicht die andern

  • V
    viccy

    Gedankenlos Nachplappern (... "wie Schach, nur ohne Würfel") ist nun aber auch kein Zeichen von großer Denkfähigkeit, oder, Herr Krauss? Verstehe Ihre Argumentationslinie nur sehr bedingt...

  • R
    Retyr

    Nun möchte ich aber doch anmerken, dass auch die Möglichkeit besteht, herzhaft über Spielerzitate zu lachen, wenn man nicht generell annimmt, dass sie dämlich sind, so wie man über die eigenen Stilblüten lacht. Die Graustufen mögen eine Erwähnung finden. "Wir müssen die EM Paroli passieren lassen" ist witzig, dennoch genießt Horst Hrubesch meinen vollen Respekt, ich habe ihn auch nie für dumm gehalten. Darf ich das? Ich glaube schon.

  • R
    reblek

    "Wir hätten also gelernt: Fußballer sind nicht dumm. Zumindest nicht dümmer als ihre Kritiker." - Nun gelten Sportjournalist(inn)en nicht und schon gar nicht generell als "Kritiker(innen)" von Fußballern, aber die Kommentare, die sie in Presse, Funk und Fernsehen vom Stapel gelassen haben und lassen, sind mindestens so dämlich wie das, was sie über die Äußerungen von Fußballern behaupten.