Kolumne Press-Schlag: Relegation? Weg damit!
Relegationsspiele sind überflüssig. Sie verhindern klare Verhältnisse und zwar nicht nur wegen des aktuellen juristischen Nachspiels. Sie fördern auch niedere Motive.
R elegation bedeutet ursprünglich Verbannung oder Verschickung. Seit 1982 ist der Begriff auch im Fußball gebräuchlich: Der Erstligist wird in die zweite Spielklasse verschickt. Vielen Klubs kommt das vor wie eine Verbannung auf den Archipel Gulag des Fußballs.
Nach den Ereignissen von Düsseldorf, dem etwas täppischen Platzsturm der Fortunafans und dem juristischen Gezerre, das heute vorm DFB-Bundesgericht in eine weitere Runde geht, wünscht man sich, sie alle würden verschickt werden: die unsäglich schlechten Laiendarsteller von Hertha BSC und ihr Winkeladvokat, die Gewaltdebattierer und Talkshow-Tiefflieger. Wir empfehlen Workuta, Wladiwostok oder Berlin-Wedding als mögliche Verbannungsorte. Hauptsache weg, weit weg.
Das Verbrechen, das sie begangen haben, liegt auf der Hand. Sie verlängern die Relegation, die eh schon eine Verlängerung des normalen Spielbetriebs darstellt, ins Unermessliche. Wann ist dieses Nachspiel zu Ende, schon vorm Schiedsgericht des deutschen Sports oder erst vor dem Sportgerichtshof Cas in der Schweiz? Sie verhindern, dass Schluss ist, dass endlich Klarheit herrscht.
ist Sportredakteur bei der taz.
Angetrieben von niederen Motiven (Anschwärzen, Legen von falschen Fährten), wird aus dem schönen Fußballsport ein einziger Paragrafenritt. Bitte, liebe Herthaner, steigt vom Gaul und erkennt endlich an, dass ihr in Liga zwo gehört, hört endlich auf damit, die Sporen in die Flanken dieser geschundene Kreatur zu schlagen! Das ist unwürdig, das ist Tierquälerei.
Paradoxe Emotionserwartung
Es ist in den vergangenen Tagen viel Unsinn gesagt worden. Bedenkenswert ist aber ein Vorschlag des Exprofis Thomas Linke, mittlerweile Sportdirektor des Zweitligisten FC Ingolstadt. Er will Relegationsspiele abschaffen. Begründung: In den Relegationsspielen ergeben sich Extremsituation, mit denen die Fans nur schwer umgehen können. In diese Kerbe schlug die SZ schon vor Jahren: Die Reduktion auf den emotionalen Reiz sei in Anbetracht millionenschwerer Investitionen der Klubs fragwürdig.
Und die FTD analysierte kürzlich treffend: Verband und Vereine erwarten paradoxerweise, „dass ihr Publikum bei aller emotionalen Aufwallung selbst wichtige Entscheidungen wie die über Auf- oder Abstieg so gelassen betrachtet wie Zoobesucher ein neues Elefantenbaby“.
Emotion und Kommerz gehen freilich in der Relegation Hand in Hand. Die Zusatzspiele bringt die Deutsche Fußball-Liga DFL regelmäßig beim TV-Rechtepoker als zusätzlichen Anreiz in die Verhandlung ein. Das Fernsehen frohlockt, weil es Spiele mit hoher Quote und Brisanz übertragen kann. Auch die Vereine streichen ein paar Hunderttausend zusätzlich ein. Sportlich sind Relegationsspiele aber vollkommen überflüssig. Sie gehören aus dem Terminkalender verbannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?