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Kolumne Press-SchlagRelegation? Weg damit!

Kolumne
von Markus Völker

Relegationsspiele sind überflüssig. Sie verhindern klare Verhältnisse und zwar nicht nur wegen des aktuellen juristischen Nachspiels. Sie fördern auch niedere Motive.

Bei dem Anblick soll der Zoobesucher ruhig bleiben? Das können Fans beim Relegationsspiel auch nicht. Bild: ap

R elegation bedeutet ursprünglich Verbannung oder Verschickung. Seit 1982 ist der Begriff auch im Fußball gebräuchlich: Der Erstligist wird in die zweite Spielklasse verschickt. Vielen Klubs kommt das vor wie eine Verbannung auf den Archipel Gulag des Fußballs.

Nach den Ereignissen von Düsseldorf, dem etwas täppischen Platzsturm der Fortunafans und dem juristischen Gezerre, das heute vorm DFB-Bundesgericht in eine weitere Runde geht, wünscht man sich, sie alle würden verschickt werden: die unsäglich schlechten Laiendarsteller von Hertha BSC und ihr Winkeladvokat, die Gewaltdebattierer und Talkshow-Tiefflieger. Wir empfehlen Workuta, Wladiwostok oder Berlin-Wedding als mögliche Verbannungsorte. Hauptsache weg, weit weg.

Das Verbrechen, das sie begangen haben, liegt auf der Hand. Sie verlängern die Relegation, die eh schon eine Verlängerung des normalen Spielbetriebs darstellt, ins Unermessliche. Wann ist dieses Nachspiel zu Ende, schon vorm Schiedsgericht des deutschen Sports oder erst vor dem Sportgerichtshof Cas in der Schweiz? Sie verhindern, dass Schluss ist, dass endlich Klarheit herrscht.

Bild: taz
MARKUS VÖLKER

ist Sportredakteur bei der taz.

Angetrieben von niederen Motiven (Anschwärzen, Legen von falschen Fährten), wird aus dem schönen Fußballsport ein einziger Paragrafenritt. Bitte, liebe Herthaner, steigt vom Gaul und erkennt endlich an, dass ihr in Liga zwo gehört, hört endlich auf damit, die Sporen in die Flanken dieser geschundene Kreatur zu schlagen! Das ist unwürdig, das ist Tierquälerei.

Paradoxe Emotionserwartung

Es ist in den vergangenen Tagen viel Unsinn gesagt worden. Bedenkenswert ist aber ein Vorschlag des Exprofis Thomas Linke, mittlerweile Sportdirektor des Zweitligisten FC Ingolstadt. Er will Relegationsspiele abschaffen. Begründung: In den Relegationsspielen ergeben sich Extremsituation, mit denen die Fans nur schwer umgehen können. In diese Kerbe schlug die SZ schon vor Jahren: Die Reduktion auf den emotionalen Reiz sei in Anbetracht millionenschwerer Investitionen der Klubs fragwürdig.

Und die FTD analysierte kürzlich treffend: Verband und Vereine erwarten paradoxerweise, „dass ihr Publikum bei aller emotionalen Aufwallung selbst wichtige Entscheidungen wie die über Auf- oder Abstieg so gelassen betrachtet wie Zoobesucher ein neues Elefantenbaby“.

Emotion und Kommerz gehen freilich in der Relegation Hand in Hand. Die Zusatzspiele bringt die Deutsche Fußball-Liga DFL regelmäßig beim TV-Rechtepoker als zusätzlichen Anreiz in die Verhandlung ein. Das Fernsehen frohlockt, weil es Spiele mit hoher Quote und Brisanz übertragen kann. Auch die Vereine streichen ein paar Hunderttausend zusätzlich ein. Sportlich sind Relegationsspiele aber vollkommen überflüssig. Sie gehören aus dem Terminkalender verbannt.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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7 Kommentare

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  • K
    kroete

    Dass diese Spiele sich besonderer emotionaler Anteilnahme erfreuen, ist klar, bedeuten sie in jedem Fall wirtschaftlich oft die Existenz oder den Niedergang eines Vereins, was für die einen noch eine Chance darstellt, ist für die anderen nur eine Verlängerung der sportlichen Agonie.

    Sportlich halte ich sie für überflüsse Geldquellen, da die Tabellenplatzierungen der Erst- und Letztplatzierten hier ohne diese Zusatzspiele über Auf- und Abstieg entscheiden sollten.

    Die Eskalationen von Düsseldorf sind da nur ein weiterer trauriger Beweis dafür, daß weder die Schiedsrichter am Spielfeld, noch die Sicherheitskräfte der Vereine im Verbund mit der Staatsgewalt in der Lage sind, geltende Spielregeln und Gesetze umzusetzten.

    Die Mehrheit wird von einer kleinen kriminellen Gruppe in jeder Beziehung vorgeführt.

    Aus kommerziellen Gründen scheinen die Vereine sogar mit diesen destruktiven Hooligans zu kooperieren.

    Jetzt schon trauen sich viele Fußballbegeisterte nicht mehr in ein Stadion, droht diese Sportart von Commerz und Gewalt bestimmt zu werden.

    Da helfen die wohlgesinnten Banner von Fairplay und Integration nichts, wenn Sportevents zum Ablassventil gesellschaftlichen Frusts werden und VIP-Lounge-Business-Leute dort ihre Strippen ziehen.

    Für beide Gruppen ist offensichtlich das Spiel am Platz zweitrangig, erstere sind die Sponsoren, letztere machen Randale, finanzieren jedoch mit ihrem Eintritt das Gesamtsystem mit.

    Ausbaden dürfen es immer die aktiven Spieler am Feld, auch die von Hertha, wobei ich es Herrn Preetz gönne, abzusteigen, da ich es absurd finde, stets den Trainern die Schuld für allen Unbill zuzuschieben.

  • J
    JoergKrauss

    Denke, dieses Geschäft Profifussball darf nur noch ausschliesslich unter Konjunkturabhängigkeiten betrachtet werden. Die Entfremndung Fan - Verein war in Karlsruhe ein gewalttätiges Beispiel. Bleibt aber für mich kein Einzelfall. Ein Unternehmen (hier: Fussball) befördert sich durch "Konzept Wachstum" und massiven Geldeinsatz in die CL oder sonst wohin in Europa. Die eigentlich zu beobachtende Konfliktpotentiale sind die Vereine wie Karlsruhe oder andere vermeintlich "Großen", die wirtschaftlich nicht so wirklich "auf die Beine kommen". In der Unzufriedenheit und der Nichtbeteiligung an der Verbesserung der Bedingungen durch die Fankultur darüber, die Zeiträume der Pflege derselben und dem "werkeln" der Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft spinnt sich dann das Netz, das die Gewalt schlussendlich produziert. Der Fan vorher wie nachher und auch während wird quasi domestiziert in vielfältiger Weise und gleichzeitig werden seine, bitte um Nachsicht, niederen Vereinszugehörgikeitsgefühle bedient. Wenn es der Fanhorizont und, nein, vorher die Geldgeber der Unternehmen (hier: Fussball) erlauben würden, wäre die Pause zwischen den Saisonen noch kürzer. Und der Relegationshype länger.

  • D
    dennis

    herzlichen glückwunsch zu diesem wirklich gelungenen kommentar. sie sprechen mir, obwohl hamburger und dieses jahr fast nutzniesser dieser leichenzerfledderei aka relagtion, aus dem herzen. danke schön.

  • RK
    Roland Kuhnert

    "Es ist in den letzten Tagen viel Unsinn gesagt worden" - that's right, Herr Völker, zum Beispiel von Ihnen, wenn andere Auffassungen ohne stimmige Analyse en passant diskreditiert werden.

  • T
    Thomas

    Lieber Herr Völker,

     

    Hertha sitzt auf keinem Gaul, es geht auch nicht darum, mit Winkelzügen einen nach so einer desaströsen Rückrunde verdienten Abstieg zu verhindern. Es geht einzig darum, diesen sportlich fair und ohne "Geschmäckle" auszuspielen. Hätten Sie das gleiche bei umgekehrter Rollenverteilung auch über Düsseldorf oder andere Vereine gesagt? Es geht bei dem Prozess zuvorderst um den fairen Sport, ohne zukünftig als "positiv motivierte Platzstürme". Ich hoffe, auch Sie sind ein Anhänger von Fußball ohne Gewalt.

  • RS
    Regensburger Schnecke

    Die Relegation war die letzte Chance den KSC aus der 2. Liga zu entfernen. Danke !

  • E
    EdoZ

    War ich auch immer gegen, als Gladbacher hat sich das aber 2011 relativiert. ;-)

     

    Fakt ist ja: In den Jahren zuvor hat sich das Publikum immer "gut" im Sinne der Familien-Fußball-Spießer benommen. Die Randale in Karlsruhe ist ein Sonderfall, da wurde eine große Abrechnung zwischen Teilen der Fans und dem Verein vorgenommen, die so oder so bei einem wie auch immer beschlossenen Abstieg (also auch am 33. Spieltag z.B.) gekommen wäre.

     

    Und in Düsseldorf - was ist denn groß passiert? Niemandem irgendwas.

     

    Relegation ist etwas unfair gegenüber dem unterklassigen Verein, aber ein schönes Spektakel zum Saisonabschluss, wg. der Reaktionen einer übersteigert hysterischen Öffentlichkeit (die ARD-Talkshows zum Thema sind z.B. ein Grund zum umgehenden Gebührenboykott, die Reaktionen der Politkasper aka Innenminister vorhersehbar) sollte man das nicht wieder opfern.