Kolumne Press-Schlag: Ja, ich bin ein Schurke
Sepp Blatter wusste, dass in seinem Verband Schmiergelder flossen. Aber das ist kein Problem. Findet Sepp Blatter.
W ahnsinn! Ein Geständnis! Von Sepp Blatter! Sind Sie P1, Herr Präsident? „Ja“, antwortet der Boss der Fifa im Interview, „das bin ich.“
P1 also. Starker Name für einen Schurken. Er stammt aus nun öffentlich gemachten Dokumenten eines Schweizer Gerichts aus dem Jahr 2010, in dem die Korruption um die Fifa untersucht wird, Nichtbeschuldigte aber anonymisiert wurden. Es gibt einem aber zu denken, wenn der Bösewicht sich selbst enttarnt. Denn das Interview gewährte Blatter fifa.com.
Von seinem eigenen Verband lässt er sich gern ins Kreuzverhör nehmen und gibt genau so viel zu, wie sich nicht mehr leugnen lässt. Schmiergeldzahlungen nennt er weiterhin standhaft „Provisionen“, die ja nicht strafbar waren. „Ich kann also nicht von einem Delikt gewusst haben, welches keines war.“
ist Autor der taz.
Ein schöner rhetorischer Zirkelschluss: Ich habe zwar gewusst, dass João Havelange, mein Vorgänger als Fifa-Chef, Ricardo Teixeira, der Exchef des brasilianischen Verbands, und wahrscheinlich noch viele andere sich die Taschen vollgestopft haben, aber das war ja nicht strafbar, also habe ich es nicht gewusst. Noch mal, aufs Wesentliche verkürzt: Ich habe etwas gewusst, wusste es aber nicht.
Nicht nur Sylvia Schenk, Juristin und Vorstandsmitglied von Transparency International, findet diese Argumentation seltsam. Zwar sei schon richtig, dass man den Machenschaften von damals nicht mit dem Strafrecht beikommen konnte, aber zivilrechtlich waren die Vorgänge „nicht in Ordnung“.
Schenk findet sogar, Blatters Position sei nicht mehr haltbar. Das ist natürlich Quatsch. Blatter ignoriert Rücktrittsforderungen souveräner als Silvio Berlusconi zu allerbesten Zeiten. Als geschickter Stratege hat P1 längst die Seite gewechselt. Aus dem Superschurken ist ein Superheld geworden, der gegen die Korruption antritt. Die Fifa habe begonnen, ihre internen „Kontrollmechanismen zu verstärken“.
Nun könnte man fragen: Gab es denn bisher solche Kontrollmechanismen? Das Schweizer Gericht hat quasi offiziell festgestellt: Nein. Was eine weitere Frage ergibt: Kann man ein Nichts verstärken? Ja, die Fifa kann das. Wahnsinn!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen