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Kolumne Press-SchlagDie arme Raupe Nimmersatt

Bernd Müllender
Kolumne
von Bernd Müllender

Klub-WM-Sieger FC Bayern München ist der beste Verein der Welt. Nur gegen den FC Bayern München wird er den Rausch des Sieges nie erleben. Das ist bitter.

Grinse-Bayern nach dem Gewinn der Klub-WM. Bild: dpa

ber dem Schwabenland lag am Wochenende eine wundervolle vorweihnachtliche Fußballruhe. Die Drittliga-Kickers spielen weit in der Fremde, die Zweite des VfB hatte ihr Heimspiel gegen Dortmund II schon am Mittwoch erledigt. Und die Bundesligaspieler des VfB durften fleißig kehrwöchnern und für die Kleinsten die neuen Lego-Bausätze Stuttgart 21 mit vielen schönen Baggern, Plastikpolizisten und Demonstranten kaufen.

Der Dank geht an den großen FC Bayern. Die Allturnierstars waren afrikanisch unterwegs und mussten ihr Spiel beim VfB sausen lassen. Flott holten sie den nächsten Pott, kamen aber mit dem Zählen nicht mehr mit. Fünf Titel, wie sagt man dazu?

Die Branchen-Zählweise geht nur bis Triple. Karl-Heinz Rummenigge, der Humorist aus Lippstadt, regte begrifflich das Quintle an. Penta (schwäbisch Pentale?) klingt zu altgriechisch, Quintuple zu akademisch. Bei sechs Titeln wäre auch Rummenigge im Biersport Fußball auf Sixpack gekommen, aber den potenziell 6. Titel (deutscher Supercup) hatten sie zu Saisonbeginn versehentlich beim BVB liegen lassen.

Fünflingssieger! Die Fußballwelt gratuliert artig. Dabei wäre Mitleid angemessener. Denn eines werden sie in München nie erleben dürfen: das süße Triumphgefühl, die orgiastische Ekstase eines Sieges über den FC Bayern. Das ist die große Münchner Tragik. Und bitte, Siege gegen den FC Bayern, das sei den Jüngeren versichert: So was gab es früher tatsächlich mal. Nie werden sie glücksberauscht sein können wie der frühe MSV Duisburg, der vor gut 40 Jahren den FC Bayern reihenweise aus dem Wedaustadion schoss und ihnen einmal am letzten Spieltag die Meisterschaft versaute (1971).

Roter Kopf auf dem Tivoli

Das popelige Bayer Uerdingen zerlegte 1976 Beckenbauer, Müller und Co. als Aufsteiger, 1985 kam der 1:0-Sieg durch Winklhofers 35-Meter-Schuss-Eigentor und der Sieg im Pokalfinale. Oder damals im Pokal die SpVgg Vestenbergsgreuth. Oder Kaiserslauterns 7:4. Oder in den nuller Jahren, als das kleine Aachen durch drei Triumphe in Folge zum Rekordpokalsiegerrekordbesieger wurde – und Uli Hoeneß den alten Tivoli stets glutroten Kopfes verließ.

Nie adrenalinprall gegen den FC Bayern triumphieren können – ein bemitleidenswertes Schicksal. Das kalte 2:0 gegen die überforderten grünen Zwergadler aus Casablanca mag ihnen ein feiernswerter Trost sein. Aber selbst größere Siege gegen den FC Barcelona oder Chelsea sind nur kalkulierte Ersatzbefriedigung. Dabei üben sie schon an einer kleinen Erlösung aus dem Dilemma. ARD-Kommentator Steffen Simon erklärte am Samstag allen Ernstes: „Mitunter verlieren sie den Ball bewusst, um ihn sich schnell wiederzuholen.“

Absichtlich Fehler machen! Großartig. Ja, das seien „neue taktische Varianten von Pep Guardiola“. Der Messias auf der Trainerbank organisiert also schon das Spiel gegen sich selbst und mit sich selbst. Das ist allerdings, als würde man sich selbst mit einem Weihnachtsgeschenk überraschen.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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8 Kommentare

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  • T
    Trans-Fair

    Warum kann die Bayern keiner leiden - außer den Bayern-Fans natürlich? Sie schei... die Liga zu mit ihrem Geld, kaufen alle Spieler ein, die ihnen auch nur im Ansatz gefährlich werden könnten. Es ist ein Automatismus. Die Ersatzbank der Bayern ist teurer besetzt, als so mancher Stammkader anderer Vereine in der 1. Liga. Die Meisterschaft ist somit fast garantiert und damit noch mehr Kohle durch die CL, etc. Das verzerrt den Wettbewerb, die Liga wird in Zukunft erst ab Platz 2 interessant.

     

    Es wäre an der Zeit für eine Begrenzung der Transfergelder. Innerhalb einer Saison sollte ein Verein nur die Summe X für Neueinkäufe ausgeben dürfen, damit der Ausverkauf junger Talente endlich einmal gestoppt wird. Den jungen Spielern kann man keinen Vorwurf machen. Wenn ein Verein mit einem Millionenvertrag winkt, kann man schon mal kopfscheu werden, mit gerade einmal zwanzig Jahren auf dem Buckel. Hier ist die Vernunft gefragt, der DFB sollte regulierend eingreifen. Es sei denn, man findet eine Liga interessant, in der der Meister schon am ersten Spieltag feststeht.

     

    Ich höre die Münchner schon heulen, dass man bei einer Begrenzung der Transfergelder international nicht mehr mithalten könne. Das wäre erst zu beweisen. Und außerdem: Liga ist jedes We - und die soll spannend bleiben. Oder zumindest wieder spannend werden.

  • Liebe TAZ,

    man muss Bayern nicht mögen, weder den FC. noch den Freistaat.

    Man kann das auch gerne immer mal wieder äußern.

    Man kann sich auch gerne immer mal wieder über die Arroganz des FC. oder über die Blödheit der Bewohner des Freistaats echauffieren.

    Aber muss es denn wirklich JEDES MAL sein?

    Müssen Eure Kolumnisten ihre Brovinzielle Berliner Borniertheit immer wieder und wirklich jedes Mal auf die gleiche niveaulose Weise unter Beweis stellen?

    Wo ist der Witz? Wo bleibt die Originalität?

    Fällt denen nix ein?

    Könnt Ihr euch kein vernünftiges Personal leisten?

    Glaubt ihr im Ernst, dass man angesichts solch geistigen Tiefflugs, „Zahl ich“ anklickt?

    Den tapferen Recken eurer Fußballabteilung wünsche ich ein bisschen mehr Sachverstand, Respekt und Selbstironie fürs´ nächste Jahr.

    Schöne Grüße auch aus München :-)

  • 'Club-WM'? Mal ehrlich, muss man diese K... auch noch im sog. Öffentlich Rechtlichen live übertragen? Dann doch lieber den Musikantenstadel...

  • UT
    uffta täterä

    Auch wenn Steffen Simon als Fußballkommentator mitunter nicht zu ertragen ist, so hat er mit dem hier zitierten Satz natürlich recht. Ein über Fußball berichtender Sportjournalist sollte wissen, dass Guardiola den vorsätzlichen Ballverlust in des Gegners Hälfte schon zu Barca-Zeiten praktizierte. Sinn der Übung ist, dass der Gegner nach seinem Ballgewinn umschaltet in seine Offensivformation und damit Räume in seinem hinteren Drittel öffnet. Wenn dann der Ball durch intenvsives und gutes Gegenpressing gleich wieder zurückerobert wird, fällt es leichter zum Torabschluss zu kommen, weil der Gegner ja gerade eben seine defensive Ordnung verlassen hat, um seinerseits zu kontern.

    In diesem Fall war die Ernsthaftigkeit Herrn Simons also durchaus angebracht.

  • Wer kann schon die Bayern leiden? Ich nicht und die tazSchreiberlinge schon gar nicht. Das sind allesamt Fans von Aktie09 mit schwarz/gelber Brille. - Wenn Bayern spielt und gewinnt, dann achten sie auf den Torjubel, der übermässig lang ausfällt ( Meins, meins, meins: Andreas R.) Das mögen die tazSchreiberlinge nicht.- Aber wisst ihr was, die Bayern spielen streckenweise ZauberFussball. Was einige BayernSpieler, z.B. in Bremen gezeigt haben,das geht in Richtung Kunst. So is es. - Bernd, dein Geschreibsel kannse inne Tonne kloppen

    • ER
      Eine runde mitleid
      @RPH:

      Ja, das sehe ich genauso. Gut nachzulesen in dem mitleidigen Kommentar über den BVB von Gestern. So viele Verletze junge Verteidiger die Fehler machen... Da muss Kloppo ja direkt ein Kompliment machen, dass da durchhält.

      Man könnte es auch als fahrlässig bezeichnen. 55 Pflichtspiele im Jahre und zwei 18 Jährige auf der Ersatzbank (und das nach 50 Mios an Einnahmen). Das grenzt ja schon an Körperverletzungen gegenüber den Stammspielern. Aber mei, der Arbeiterklub.

  • V
    Vorschläger

    Repoker. Steckt auch Epo drin, damit nicht nur phänomenologisch sondern auch kausal.

    • @Vorschläger:

      Ich wäre auch gern so klug wie du, midde vielen Fremdwörters. Dat hat wat.