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Kolumne Press-SchlagMit Streikbruch zum Auswärtsspiel

Die Bahn stellt Hertha-BSC-Fans einen Sonderzug nach Gelsenkirchen zur Verfügung. Fankultur und Arbeitskampf passen nicht gut zusammen.

Plötzlich ging bei der Bahn was: Hertha-Fans im Sonderzug Bild: Reuters

„Torschüsse: 0, Tore: 0“ – so sieht es also aus, wenn Fans sich richtig, richtig ärgern. Beziehungsweise, wenn Werder Bremen in dieser Saison auswärts gegen die Bayern spielt. #keintorschuss lautete das entsprechende Hashtag bei Twitter. Niederlagen sind halt nichts für ethisch ungefestigte Personen.

Streiks übrigens auch nicht, jedenfalls nicht in Deutschland, wo man nach wie vor findet, dass Ausstände ungefähr so abzulaufen haben wie Fanstreiks, die in aller Regel darin bestehen, dass man ein Viertelstündchen vor dem Stadion herumlungert, seine Forderungen auf mehr oder weniger hübsch gestalteten Bannern und Plakaten präsentiert und dann, wenn man genügend fotografiert und interviewt wurde, wieder dem eigentlichen Job nachgeht, nämlich im Fanblock Stimmung zu machen.

Hätte die Lokführergewerkschaft GDL mitsamt ihrem bemerkenswert nicht sehr sympathisch wirkenden Vorsitzenden sich am Spieltag ähnlich verhalten, also ein paar Minuten auf den Bahnhöfen der Republik herumgestanden, schön gereimte Forderungen wie „Berlin, Berlin, wir fahren ein bisschen später nach Berlin“, „Hurra, hurra, die Lokführer, die sind da“ oder „Olé, olé, oléolé, wir sind die Lokführer und mehr Geld wär okay“ gesungen und die Fahrgäste mit dem Hinweis getröstet, dass es bei der Bahn ja sowieso immer später werde und man gleich aber wirklich losfahre, nur noch eben schnell ein Interview, dann sei es auch schon so weit – und sich dazu noch Schals des jeweils lokal präferierten Bundesligaklubs umgehangen, wären ihr die Sympathien der Massen gewiss gewesen.

Aber Streiks, die das beinhalten, wozu Arbeitsniederlegungen erfunden wurden, nämlich zu zeigen, was passiert, wenn eine Berufsgruppe tagelang nicht ihren Job macht, das geht gar nicht. (Übrigens wäre es ausgesprochen interessant zu sehen, was passieren würde, wenn Fans wirklich streiken, also konsequent keine Heimspiele im Stadion besuchen würden.)

Wo die Tränen besser trocknen

Dass die GDL für Hertha eine Ausstandsausnahme machte und den Streikbruch, der darin bestand, mittels eines nicht besonders schön aussehenden Sonderzugs Fans zu ihrer dieswöchigen Auswärtsniederlage nach Gelsenkirchen zu fahren, nicht mal versuchte zu verhindern, ist übrigens ein grobes Foul. Vielleicht hat die GDL das ja gemacht, weil die Bahn Hertha-Sponsor ist, aber an welchen Klub ihr Arbeitgeber Millionen zahlt, hat streikende Arbeitnehmer eigentlich genau so wenig zu interessieren wie die Interessen von Leuten, die mittels Bahncards und Tickets Leistungen vorab bezahlt haben, die im Arbeitskampf dann eben nicht erbracht werden können.

Aber so gesehen war die Sache mit dem Fanzug ja auch egal: Die gewohnte Niederlage gegen Schalke betrachten und eine Horde äußerst missgelaunter Herthafans zurück nach Berlin transportieren zu müssen, nachdem sich einige in Gelsenkirchen fertig geprügelt hatten, war eine ziemlich gerechte Strafe für den Streikbruch.

Nach einer Klatsche mit dem Auto nach Hause zu fahren ist übrigens viel schöner, als die Bahn zu benutzen, denn wann immer man weinen muss, kann man einfach anhalten, aussteigen und die Tränen an der frischen Luft trocknen statt im Bordbistro.

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