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Kolumne Politik von untenInhaltliches Rüpeln und Augenzwinkern

Kolumne
von Jean Peters

Es pisste mich einfach an, wie die Debatte über unseren Wohlstand und den "freien Welthandel" verstummte, als Köhler zurücktrat. Spätnachts schrieb ich dann die Köhler-Satrieseite.

Die Satireseite zu Köhlers Rücktritt löste eine Twitter-Lawine aus. Bild: screenshot www.horst-koehler-consulting.de

A uf der Unternehmensseite www.horst-koehler-consulting.de bietet unser Ex-Präsident seine Expertise in der Außenpolitik an. Ich schrieb diese Seite spätnachts nach einem Kneipengang, um augenzwinkernd und zuprostend gegen das politische Klima zu rüpeln. Die Seite hat mehr ins Rollen gebracht, als ich erwartet habe: Sieben Stunden nachdem sie online war, erfuhr ich verkatert, dass Twitter-Lawinen und massenhafte Zugriffe den Server meines Providers fast zusammenbrechen ließen.

Ständig klingelte mein Telefon, JournalistInnen fragten mich nach meinen Motiven, mein E-Mail-Postfach wurde überflutet. Sogar ein Köhler-begeisterter Verwaltungsbeamter pöbelte zurück, schickte Abmahnungen an meinen Provider. Ein gelungener Fake, all mein Respekt, wir wären fast auf ihn hereingefallen - denn er schrieb aus dem Bundesverwaltungsamt und vergaß, seinen Brief als Satire zu kennzeichnen. Schade drum, die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen ihn.

Doch all dieses Trara lässt schnell vergessen, worum es eigentlich ging. Ich ziehe mir gern meine beige Korinthenkackermütze und weiße Tennissocken an und rufe zum Pöbeln auf. Lasst uns die politische Debatte, die Köhler mit seinem Bandwurmsatz zur Aufgabe des Militärs in Afghanistan angestoßen hatte, fortführen.

Bild: privat
JEAN PETERS

ist Politikstudent, Kinderclown und Friedensaktivist.

Es pisst mich an, wie die verstummte, als er zurücktrat: kein Wort mehr von der historischen Entstehung politischer Grenzen und deren Zusammenhang mit nationalem Außenhandel. Kein Wort davon, dass immer mehr Menschen glauben, dass Wachstum per se notwendig sei, es national geschützt und notfalls mit militärischen Mitteln verteidigt werden müsse.

Über die Jahre wurde die Bundeswehr von einer kleinen Verteidigungsarmee zu einer Interventionsarmee. Wieso ihre Soldaten dann ermuntert werden, mit Wumme und deutschem Pass nach Somalia zu robben, um "den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstands zu fördern", wie es hochamtlich im Weißbuch zur Bundeswehr steht, kann kein Papa überzeugend erklären.

Die Zusammenhänge sind komplex. Ich verstehe das alles nicht auf Anhieb und bin dankbar, wenn ein Präsident, genauso verwirrt wie ich, das in die Welt posaunt und damit die Debatte über eine solche Wirklichkeit entfacht.

Doch die Frage nach der Aufgabe der Bundeswehr im Ausland wurde durch seinen Rücktritt abgewürgt. Diese Egomanie von Köhler und Konsorten überschattet politische Inhalte. Wir sollten uns selbst nicht zu ernst nehmen. Politische Inhalte aber schon.

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6 Kommentare

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  • U
    uwendt

    "Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln (Carl v. Clausewitz)". Unter diesen Gesichtspunkt sollte der Einsatz deutscher Soldaten im Ausland betrachtet werden. Sie sind die Interessenvertreter unseres Staates. wenn jetzt Melungen über reiche Bodenschatzvorkommen in Afganistan bekannt werden, so solten wir nicht denken, dass es esrt seit einigen Tagen bekannt ist. Die Regierungen der westlichen Welt haben es schon wesendlich früher gewust und warten nur auf den Tag der Abrechnung. Wenn es mal Frieden dort geben solte werden sich die Unternehmen wie die Geier auf das Aas stürzen um im Auftrag der Nation die entstanden Kosten wieder herein zu holen. Es sind wohl weniger politische als wirtschäftliche Interesse die unsere Söhne und Brüder in den Hindkusch treibt. Es geht wieder um "Kohle, Eisen, Öl". irgend wie hatten wir das schon mal! Ob das blühen der nation mit den Blut unserer Kinder bezahlt werden soll-darüber muss sich jeder eine eigene Meinung bilden.

  • S
    Stefan

    Satrie? Herr Peters?

     

    Ist die zunehmende Schreibfehlerdichte im Qualitätsjournalismus ein weiterer Beweis für Sarrazins "Wir werden durchschnittlich immer dümmer"?

  • V
    vic

    in der tat, mich pisst es auch extrem an, dass Soldaten wieder Helden sind, dass Menschen wie Klein nach einem solchen Massaker einfach weitermachen, dass wir Westler glauben, uns gehört die Welt und das wir unseren geklauten Besitz, wo auch immer er ist, unter Waffen gegen alle die uns dabei im Weg stehen verteidigen müssen.

    Den Abgang Köhlers jedoch halte ich für keinen Verlust, schließlich meinte der was er sagte.

  • S
    Stefan

    Bravo!

     

    ... für die gelungene Satire und den gelungenen Artikel!

  • D
    David

    Super Ding. Das Einzige, was ich anders sehe:

     

    Immer weniger Menschen glauben, dass es notwendig und gerechtfertigt ist, den Handel mit Waffengewalt zu verteidigen. Nur deswegen wird das Ganze überhaupt erst zum Politikum - früher war so etwas einfach selbstverständlich.

     

    Das macht es nicht weniger widerlich; aber ich glaube, dass sich die Ignoranz der Menschheit verringert, nicht verstärkt.

     

    lg

  • D
    dennis

    kleine verteidigungsarmee? sorry, jean, aber da liegst du falsch. die bundeswehr hatte bis zum ende des kalten krieges etwa doppelt so viele soldaten, bedingt durch einen bis zu dreimal so langen wehrdienst und viel laxeren aufnahmebedingungen - da war nix mit T3=untauglich! und verweigern war auch viel schwerer...

    es stimmt natürlich, dass sich das profil der bundeswehr gewandelt hat. aber es stimmt nicht, dass sie früher kleiner war.