Kolumne Politik von unten: Innerdeutscher Kulturschock
Ich habe in vielen Städten gelebt, in London, Kingston, Buenos Aires. Aber den stärksten Integrationsdruck gab es beim Umzug von Düsseldorf nach Köln.
A m Wochenende war ich auf einem Klassentreffen. Unser Abiturjahrgang feierte, dass wir vor nunmehr – oh, jetzt wäre mir beinahe rausgerutscht, vor wie vielen Jahren wir Abitur gemacht haben. Dann hätte sich womöglich jemand ausrechnen können, wie alt ich bin! Aber ich kann dichthalten. Jetzt, wo mein nächster Geburtstag eine Null in der Zahl hat, und es ist nicht die 30, befolge ich bezüglich meines Alters eine strikte Omertà.
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, die Schule. Auf dem Abitreffen redete ich kurz mit einem ehemaligen Schulkameraden, ein Indodeutscher wie ich, der unvermittelt zu mir sagte: "Wir Halbinder!" Ich war platt.
Die ganze Schulzeit über hatte er so getan, als ob ihm völlig schleierhaft sei, warum wir beide braune Haut und seltsame Nachnamen hatten.Die wenigen Male, die ich ihn damals darauf ansprach, blockte er meine vorsichtigen Versuche der Solidarisierung ab; mit dem Erfolg, dass ich mich in der Schule völlig allein auf weiter Flur fühlte. Jedenfalls bezüglich dieses Themas.
Diese und viele andere spannende Geschichten lesen Sie in der nächsten sonntaz vom 4. und 5. Juni 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.
ist Journalistin und in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland.
Es freut mich, dass er inzwischen zu seiner binationalen Herkunft steht. Manchmal dauert es Jahre, bis man seinen Frieden damit geschlossen hat. Manche Bindestrich-Deutsche versuchen, sozusagen unerkannt durchs Leben zu gehen; vor allem, wenn sie optisch nicht so auffallen. Andere gehen offensiv damit um. Neutral ist dieses Thema wohl für niemanden. Das ist auch schwierig in einem Land, das keine Selbstverständlichkeit bei multikulturellen Identitäten erlaubt.
Darüber hinaus sind wir beide natürlich einfach Rheinländer, wie der Rest der Klasse auch. Ich gebe es hiermit öffentlich zu: Ich bin gebürtige Düsseldorferin. In diesem Falle hebe ich die Omertà ausnahmsweise mal auf.
Im Laufe meines Erwachsenenlebens habe ich in vielen Städten gelebt – in London, Kingston, Buenos Aires. Aber den stärksten Integrationsdruck, den härtesten Kulturschock, den gab es beim Umzug von Düsseldorf nach Köln. Das ist wirklich eine andere Welt hier.
Für Nicht-Rheinländer zur Erklärung: Diese beiden Städte sind so verfeindet wie Israel und Palästina, wie Borussia Dortmund und Schalke, wie Minas Tirith und Mordor. Hier in Köln darf ich nicht mal laut sagen, dass ich ursprünglich aus Düsseldorf stamme. Der ganze Rest meines Migrationsvordergrundes, Indien und so, das ist alles herzlich willkommen. Nur meinen Geburtsort Düsseldorf, den muss ich verschweigen. Da zieht der Kölner seine Grenzen bezüglich Integration und Toleranz. Irgendwo muss ja Schluss sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers