Kolumne Pflanzen essen: Sehnsucht nach Tier
Fleischesser sind ständig genervt von Veganern, die Fleischersatz essen. Das ergibt keinen Sinn. Veganer dürfen Fleisch vermissen.
![](https://taz.de/picture/63229/14/veggie_dpa_01.jpg)
W arum essen Veganer andauernd Pflanzenprodukte, die aussehen und schmecken wie Fleisch? Eine Freundin mokierte sich neulich im Supermarkt über den Hühnchenersatz in meinem Einkaufswagen. Über veganen Fleischersatz regen sich Fleischesser mit Vorliebe auf.
Was sie dabei gern vergessen: Die meisten Veganer sind es aus Überzeugung und nicht, weil Fleisch ihnen nicht schmeckt. Fast drei Jahrzehnte meines Lebens war Fleisch mein Lieblingsessen. Eines meiner Leibgerichte waren in Leberwurst getunktes Wiener Würstchen. Bis mir beim Ansehen des Dokumentarfilms „Earthlings“ der Zusammenhang zwischen meiner Ernährung und dem immensen Leid der Tiere klar wurde. Da ist mir die Fleischeslust im Hals stecken geblieben. Wie viele Veganer vermisse ich ab und zu Fleisch.
Besonders am Anfang meiner Ernährungsumstellung war es nicht immer einfach. Fleisch setzt opiatähnliche Stoffe frei, vergleichbar mit Käse. Vegane Mortadella ist sozusagen veganes Methadon. Aber es ist nicht nur eine gewisse körperliche Sucht oder die geschmackliche Sehnsucht. Essen hat auch eine emotionale Komponente. Bestimmte Gerichte verbindet man mit bestimmten Erinnerungen, Traditionen und Gefühlen. Und mit lieben Menschen, mit denen man jene teilt.
Deshalb feiere ich gelegentlich Fleischersatz-Fress-Feste. Mit Vackbraten, Spaghetti Volognese und Chicken-less Chicken Strips. „Ist das nicht ganz schön unnatürlich?“, fragte meine Freundin. Ungefähr genauso natürlich wie ihre geliebten Chicken-Nuggets, die schließlich auch nicht auf Bäumen wachsen. Und die, dem Hinzupanschen der ganzen künstlichen Inhaltsstoffe sei Dank, bestimmt bald genauso wenig Fleisch enthalten wie mein Hühnchenersatz.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale