Kolumne Parallelgesellschaft: Der polternde Hoffnungsträger
Dem Selbstwertgefühl nach liegt die SPD in Schutt und Asche. Und übersieht dabei die Chance des Neuanfangs.
A ufwallungen von Hoffnung sind kaum mehr als der Trick eines jeden Gemüts, sich dem Trost hinzugeben, der Selbsttröstung. Die Sozialdemokratie hofft in diesen Tagen inständig, gibt aber ansonsten dem Publikum zu verstehen, dass sie zunächst und auf länger mit sich selbst zu tun haben werde. Die Schmerzen der Machteinbuße, die müssen bewältigt werden. In diesem Zusammenhang ist dann gern von Hoffnungsträgern die Rede, von Männern und Frauen, die Anlass geben, die eigene Marginalisierung für die Zukunft in Abrede zu stellen. Aber, seltsam, selbst der da und dort zu lesende Hinweis, dass nach einem Alptraum, der die Bundestagswahl für die SPD ja war, immer ein Besseres begänne, scheint mit dem Selbstgefühl der Betroffenen nicht vereinbar zu werden. Die SPD? Ein Haufen in Schutt und Asche.
Einer aber trotzt, und es gibt Hinweise in seine Person, dass er ebenso gut zur Linkspartei passen könnte, denn seine Gefühligkeit, seine absolut authentische Art, seinem Unmut Luft zu machen, ist vom Stil her alte Sozialdemokratie. Eine, deren Kassierer die besonders Netten sein mussten, weil diese nämlich die Mitglieder besuchten, die Beitragsmarken in die Parteibücher klebten und sich nebenbei nach dem Leben als solchem erkundigten. Aber Klebemarkenparteibücher gibt es inzwischen ebenso wenig wie Telefone mit Wählscheibe - alles hinfort.
Ein Hoffnungsträger ist allerdings der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky. Der poltert, der zürnt, der pflegt keinen Kammerton, jedenfalls nicht diese Sprechweise der allgemeinen Gewogenheit. Der sagt nicht: Das sagt mir nicht zu. Oder: Das könnte verbessert werden. Nein, der findet schlimm, verfehlt oder übel. Neulich sagte er, der schwarz-grüne Koalitionsvertrag verschlimmere die Situation in Armutsvierteln, weil das in dieser politischen Absichtserklärung notierte Geld, das Mütter bekommen, die ihre Kinder selbst betreuen möchten, in Neukölln nur der Sauferei von ureingeborenen Deutschen und der Förderung von Kinderproduktion in migrantischen Familien diene, die schon aus kulturellen Gründen ihre Kinder lieber nicht in einen Kindergarten geben wollen. Das Geld, so Buschkowsky, verhindere, dass sich in Gebieten wie Neukölln das Leben für die Kinder zum Besseren verändere.
Jan Feddersen ist taz-Redakteur.
Sein Klang war, als er dies äußerte, der, als fürchte er das, was eben die Sache ist in Bezirken wie Neukölln: eine Art Areal der Apartheid. Nicht dass irgendein Politiker sagen würde - und Buschkowsky schon gleich gar nicht, im Gegenteil -, aber Neukölln, dieses Parallelgesellschaftliche, diesen Kosmos an Armut, materiell wie in Hinblick auf die Aussichten des Lebens, hat man doch lieb in den besseren Quartieren. Man gruselt sich vor dem, was sich auf diesem Pflaster tut, und will es doch so behalten, denn nichts will man doch weniger, als dass die dort lebenden Kinder aufgehetzt, ermutigt werden, über einen Bildungsaufstieg es denen da oben mal tüchtig zu zeigen. Das ist das, was Buschkowsky im Schilde führt, das ist das, was Sozialdemokratie mal war: eine politische Interessenvertretung jener, die es schaffen wollen, denen es eine Ehre war, als solche angesprochen zu werden - nicht als zu Verwaltende.
Multikulti ist nicht das Credo von einem wie Buschkowsky, sondern Integration und Zukunft. Er will, dass Armut kein Schicksal ist, sondern allenfalls eine ziemlich blöde Ausgangslage. Er hat die entscheidende Schwäche des schwarz-grünen Paktes im Blick - und die ist viel schlimmer als alles, was von sozialer Kälte geraunt wird. Buschkowsky, das ist ein sozialdemokratischer Held der Jetztzeit.
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