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Kolumne Ostwärts immerScheitern mit Format

Kolumne
von Markus Völker

Die irischen Turnierquartalstrinker haben der EM einen wunderbar emotionalen Moment geschenkt. Auch Polens Fans wollen würdevoll trauern, doch nicht allen gelingt das.

Z oppot ist fest in irischer Hand. Neben mir wohnt ein Ire, der sich den Bart in den Landesfarben koloriert hat. Wenn er mittags aufsteht und wir uns zufällig treffen, sagt er: „Hi Chief!“ Die Iren gehen grundsätzlich erst ins Bett, wenn sie alle Biervorräte in Zoppot leergetrunken haben, so gegen sieben Uhr morgens.

Manchmal treten sie nach durchzechter Nacht noch in Verhandlungen mit lokalen Prostituierten. Sie legen keinen besonderen Wert auf Diskretion. Mitbewohner des Apartmenthauses dürfen durch dünne Wände hindurch teilhaben am Gefeilsche.

Lange werden die Iren nicht mehr im Ostseebad Zoppot sein. Ihr Team hat die Vorrunde nicht überstanden. Aber die Turnierquartalstrinker von der Grünen Insel waren es, die der EM einen wunderbar emotionalen Moment geschenkt haben.

Bild: taz
Markus Völker

ist Sport-Redakteur der taz und während der EM in Polen unterwegs sowie bei den Spielen der deutschen Mannschaft dabei.

Spanische Fans fraternisierten mit den Iren, Iren verbrüderten sich mit den Spaniern. Ein Stadion sang gemeinsam. Da war kein Fünkchen Hass oder Rivalität mehr in der Danziger Arena. Berührend war die Sangeskunst echter Fußballfreunde.

Die Iren trieben es trotz der deftigen Niederlage auf die Spitze und sangen lauthals: „Our love was on the wing we had dreams and songs to sing.“ „Fields of Athenry“ ist ein Lied über die irische Hungersnot zwischen 1846 und 1849. Die Uefa sollte überlegen, ob sie nicht zu jedem EM-Spiel 20.000 Iren schickt. Auch wenn das allen ungeschriebenen Gesetzen des Fantums widerspricht, bewahren sie im Angesicht der Niederlage Haltung. Das hat Format.

Das kann man von jenem polnischen Fan nicht behaupten, der in einer Zoppoter Tapasbar den Arm zum Hitlergruß reckte. Seine Begleiterinnen schien das zu amüsieren. Sie registrierten zwar meinen verstörten Blick, zechten aber munter weiter. Ich wusste nicht, wie ich das deuten sollte. Die Entgleisung leistete sich der Pole in einer Nacht des nationalen Überschwangs. Polnische Fans tanzten auf Autos, schwenkten ihre Fahnen und skandierten „Polska, Polska“ mit einer Inbrunst, als hätten sie Jahre auf diesen Moment warten müssen.

Bis jetzt waren die Fanzonen bei Polenspielen zum Bersten voll. Der Wille zur kollektiven Inszenierung eines Sommermärchens ist groß. Es stört die Polen nicht groß, dass sie draußen sind. Fast hätte man Samstagnacht denken können, sie wären ins Finale eingezogen, aber nach dem 0:1 ist die EM für sie vorbei. Psychologen sind unsicher, welche Art der Erinnerungsabwehr wirkt: Verneinung, Verleugnung oder Derealisation.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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3 Kommentare

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  • D
    Deutsch-Pole

    Ein Pole von 38 Millionen baut Mist und wird als stellvertretend herangezogen? Gut, dann werde ich das gleiche in Zukunft das gleiche machen, wenn sich mal ein deutscher Fan daneben benimmt. Dann steht der für 80 Millionen Deutsche! Oder gilt das bei den Deutschen nicht????

  • R
    RPH

    Die Iren sind wie UNIONER ! GEIL ! GlückAuf ! EISERN ! UNVEU !

  • L
    lowandorder

    Markus Völker: " Ostwärts immer"

     

    Aber andererseits - kleiner Aufreger über irischen Hitlergruß?

    Ach Gottchen. Die Stones in SS-Uniformen - schon vergessen?

    Gleich nebenan ist ( belehrfähig!) Ralf Giordano: nach Hoyerswerda müßten die Richter

    schärfer Strafen. Vom Recht mal abgesehen. Geht's noch?

     

    Mein Mitschüler der b-hoch-drei-Rasse begrüßte belächelt die Klasse häufig - bedingt ähnlich Karl Valentin " so hoch isse gesprunge - mei Dackel! -" .

    Und - endete etwas überraschend als OStDir.

    So geht das.

    Also wie beim Manta - tieferlegen.