Kolumne Olympia: Heavy Medal
Dabei sein ist eben doch nicht alles. Am Ende der Spiele wird sehr genau nachgerechnet, wer wieviel Medaillen gewonnen hat.
E s wird langsam ernst. Die Zeit verrinnt, was vor allem für die Kanadier ein Problem ist. Bis zu 34 Medaillen wollten sie gewinnen. Zehn sind es bis dato nur geworden. Neben der schmachvollen Niederlage im Eishockeymatch gegen die USA wird die mangelhafte Planerfüllung diskutiert. Viele kanadische Olympioniken blieben unter den Erwartungen. Tränenreich entschuldigten sie sich für ihre schlechten Leistungen.
"Own the Podium" hieß das nationale Programm. Doch viele Athleten strauchelten bei der Besteigung des Treppchens. Einige kanadische Zeitungen glauben, das ambitionierte Sportförderprogramm hätte man nicht als kategorischen Imperativ formulieren dürfen, sondern eher als "Wir schauen mal, was dabei rauskommt"-Programm. So hätte man unnötigen Druck vermeiden können. Plötzlich wird argumentiert, eine Teilnahme an den Spielen sei doch auch ganz nett.
Außerdem hätten die kanadischen Athleten doch ganz viele vierte und fünfte Plätze belegt, über 17 bislang, und die Medaillenquote - neuester statistischer Schmäh - liege bei über 34 Prozent. Das seien prima Zahlen, heißt es, und an die Sportler ergeht nun die dringende Bitte, nicht mehr reumütig nach einem verpatzten Lauf zusammenzubrechen. Genießt die Spiele, wird als neues Motto ausgegeben, schert euch nicht um die Medaillen! Ja, selbst wenn alle Ahornblätter, die vor den Spielen noch grün und saftig waren, kompostiert werden müssen, wollen es die Vancouverites mit Fassung tragen. Das ist die Botschaft.
Markus Völker ist Sportredakteur der taz und berichtet zurzeit von den olympischen Spielen in Vancouver.
Die Deutschen wiederum müssen sich nicht mit traurigen Bilanzen herumschlagen, sie sind im Plan, wie die Medaillenzähler des Deutschen Olympischen Sportbunds jüngst herausgefunden haben. Dank der wunderbaren Sportförderung von Bundeswehr, Polizei und Zoll sei alles im Lot, sagt DOSB-Chef Thomas Bach. Das System müsse nicht hinterfragt werden, es werfe doch hervorragende Erträge ab. Bach vergisst, dass die Deutschen meist nur in traditionellen, techniklastigen Sportarten wie Bob und Rodeln abräumen, aber in den olympischen Disziplinen, die nach 1988 dazugekommen sind, erbärmliche Resultate vorweisen.
Wo sind sie denn, die deutschen Buckelpistenreiter, die Halfpipe-Champs oder die begabten Freestyler und Shorttracker. Es gibt sie nicht, jedenfalls nicht in der absoluten Weltelite. Warum? Weil sie nicht in das Raster der deutschen Sportförderung passen. Coolness und Unabhängigkeit verkümmern auf dem Kasernenhof. Sportler in Uniform mögen sich im Eiskanal oder am Biathlon-Schießstand wohlfühlen, aber Snowboarder wollen für gewöhnlich nicht Meldung beim Uffz machen. Ist ein Shaun White im Drillich denkbar? Ein Apolo Anton Ohno beim Morgenappell? Wohl kaum - aber Bach sieht keinen Handlungsbedarf.
Er sollte sich vielleicht einmal mit Aika Klein unterhalten, der Shorttrackerin, die es in der Bundeswehr nicht ausgehalten hat und nun quasi von der Hand in den Mund lebt. Oder er sollte mit dem Snowboarder Christophe Schmidt sprechen, der sich als Profi durchschlägt, ohne Staatssponsoring, ohne bequeme Alimentierung. Sie waren in Vancouver ohne Medaillenchance. Die anderen, die Sportler in Uniform, räumten indes ab. Von den 21 Medaillen, die Deutschland bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe gewonnen hat, kamen nur fünf von Zivilisten.
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