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Kolumne ÖkosexMit Opel auf der Allee der Erleuchtung

Warum mit dem SolarWorld-Angebot ein neues Zeitalter begann - und jetzt der längste Windpark der Welt her muss.

Letzten Mittwoch habe ich in meinem Büro in Maastricht geweint. Ich habe geweint vor Freude und mich meiner Tränen nicht geschämt. Die Welt war nicht mehr wie zuvor. Es hatte sich ein zeitgeschichtliches Erdbeben vollzogen, ähnlich dem Fall der Mauer, dem Aufstieg Hoffenheims oder der Wahl Obamas. Ökosex kommt deshalb heute mal nicht spielerisch und heiter daher, sonder sehr ergriffen und pathetisch.

taz

Martin Unfried, 41, arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.

Ich hatte am Mittwoch den ganzen Tag die Brüsseler Politik erklärt und diesen ganzen Kladderadatsch, da kam eine Eilmeldung aus dem schönen Klimaschutz-Deutschland. Die war sensationell: "SolarWorld macht Opel Übernahmeangebot". I could not believe it. Ich schaute auf der Seite von SolarWorld nach. Da stand: "SolarWorld plant Angebot für deutsche Opel-Standorte." Und weiter hieß es, SolarWorld wolle aus Opel das erste grüne Automobilunternehmen der Welt machen, mit Hybrid, Elektro und allem Pipapo. Als ich das las, war es zu spät. Da schossen die Tränen der solaren Effizienz über meine Wangen und tropften in meine Koffietasse. Mein griechischer Kollege im Büro nebenan, der mich schluchzen hörte, war leicht irritiert. Natürlich konnte er nicht nachvollziehen, welche Emotionen diese Meldung bei mir auslöste.

Ein Fotovoltaikunternehmen macht einem Automobilriesen ein Übernahmeangebot.

Ist das Science-Fiction? Nein. Auch wenn es in erster Linie ein dufter Marketingtrick von SolarWorld-Chef Frank Asbeck war: Bei Ökosex ist es so angekommen, wie es gemeint war. Es war ein Signal zum Angriff in der Champions League der deutschen Industrie.

Was haben sie gelacht über uns. Über Spargel, Strom aus Mist und über die angeblich so teuren Module. Was haben die Oligopolisten alles probiert, um mit Ihren Kohle- und Atommilliarden den industriellen Aufstiegt zu verhindern? Wie viele Politiker und Showbizgrößen haben sie gekauft, um Ihre Braunkohleschleudern zu promoten? Wie viele Lobbyisten hatten sie in den Ministerien untergebracht, die geschickt die Gesetzgebung in ihrem Sinne schrieben? Es waren und sind bis heute eine ganze Menge. Natürlich macht sich Ökosex nix vor. Noch sind die Bremsbacken der solaren Effizienz dick im Geschäft. Wie geschickt haben die deutschen Autolobbyisten gestern noch in Brüssel sinnvolle CO2-Werte verhindert und wie dreist fragen sie heute nach Kfz-Steuer-Geschenken und staatlichen Bürgschaften? Absolut crazy: Noch ist die Klimakanzlerin anscheinend schizophren genug, eine Milliarde im Sechszylinder des Porsche Carrera zu verbrennen. Noch. Denn es könnte ein letzter Sieg der Brumm-Brumm-Fraktion sein. Deren Ideologie, sie liegt angeschlagen am Boden. Und weil der Mainstream in Deutschland ein Hasenfuß ist, heult er mit den Großen und Starken. Deshalb wird das SolarWorldangebot auch am Stammtisch und im Kabinett Eindruck hinterlassen.

Apropos Größe: Genau rechtzeitig hat Ökosex die Machbarkeitsstudie für den größten und längsten Windpark der Welt auf den Weg gebracht. Danke für die Kommentare zur letzten Kolumne. Ich sammle im Moment alle Expertenstimmen zur Idee des 1.000 Kilometer langen Windparks entlang der A 7 von Flensburg bis Füssen. Ich muss mich deshalb auch noch bei allen Freunden des Ökosexes entschuldigen. Ich hatte im ersten Schritt viel zu klein angefangen. Ich sprach von einigen hundert Windmühlen. Nein, es sollen tausende sein an der "Allee der erneuerbaren Erleuchtung", "dem Boulevard der Energie des Volkes". Diesen offiziellen "Windpark Deutschland" sehe ich jetzt vor allem auch als ein kulturelles Projekt der Tourismusförderung. Die A 7 bekommt Flügel. Das wird eine Art chinesische Mauer der solaren Effizienz, die allen angeschlossenen Landkreisen ungeahnte Möglichkeiten bietet. Aus aller Welt werden die Touristen kommen, um den längsten und größten zu sehen. Und dann werden viele regionale "Windwelten" den altbackenen "Autowelten" die Show stehlen. Auch eine Übernahmeidee.

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3 Kommentare

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  • J
    johannes

    Ja, klar ist so ein Angebot ein Fortschritt, man sollte jedoch nicht immer gleich in Träumereien verfallen und realistisch bleiben, wie effizient die Energie aus dem Windrad ist bzw. wie wirtschaftlich.

  • J
    joachim

    Dann werden es 11.000 Windräder an allen Autobahnen. Und schon steht eine zehn vor dem Komma.

     

    Ökosex 4ever!

  • T
    thiotrix

    Ein bißchen Nachhilfe für „Ökosex“ und sein „Wohlstandshobby“ Windkraft (Carl Christian von Weizsäcker)

     

    In 2007 wurde die Stromversorgung in Deutschland durch folgende Energieträger gesichert:

    Braunkohle 24,0%

    Kernenergie 22,3 %

    Steinkohle 22,3 %

    Erdgas 12,0 %

    Heizöl/Sonstiges: 5,1 %

    Wind 6,6 % (aus 20.000 Windrädern)

    Biomasse 3,7 %

    Wasser 3,4 %

    Photovoltaik 0,5 %

     

    Wenn 1000 Windmühlen zusätzlich an der A7 gebaut werden würden, so würde der Anteil des Windenergie an der Gesamtstromversorgung um wenige Zehntel-Prozent ansteigen – es stünde immer noch die 6 vor dem Komma! Diese 1000 neuen Windmühlen würden nur zu 10 % der Laufzeit die volle Leistung abgeben, während der restlichen 90 % liegt die Leistungsabgabe meist deutlich unter 50 %, oft genug bei Null oder nahe Null. Da Strom nicht in nennenswerten Mengen gespeichert werden kann, müssen „Braunkohleschleudern“ (und Steinkohleschleudern) auf halber Kraft in Bereitschaft gehalten werden – damit laufen sie unwirtschaftlich und erzeugen pro kW Strom deutlich mehr CO2 als bei Vollast.