Kolumne Ökosex: Die Panik der Zivilgesellschaft

Kopenhagen war gestern - die Zukunft ist morgen: Also Mitglied werden im Klimaclub.

Stellen Sie sich vor, gestern klingelte mein Handy und die Zivilgesellschaft war dran. Sie war ganz aufgeregt wegen Kopenhagen und so. "Gemein", sprach die Zivilgesellschaft, "die Politiker haben in Kopenhagen gefehlt, diese Versager, was soll ich jetzt machen, ich arme verratene Klimaheldin." Sie merken, die Zivilgesellschaft hatte am Tag nach Kopenhagen die taz gelesen und deren Blattlinie übernommen. Versager und Verzagte.

Ihr Anruf passte mir ausgezeichnet, denn ich wollte der Zivilgesellschaft schon lange die Meinung geigen. Was ihr denn eigentlich einfalle, hier so rumzuheulen. Sie, die Zivilgesellschaft, habe sich ja wohl in Kopenhagen nicht gerade mit Rum bekleckert. Dieses Winseln: "Bitte, bitte, liebe Politik, rette uns. Schaffe ein weiteres grandioses internationales Abkommen." Das sei doch würdelos gewesen, schrie ich ins Telefon. Falsche Hoffnungen setzen auf Klimaspaßvögel wie Obama und die Chinesen.

Dieses gebannte Starren auf die internationale Politik. Als ob wir, die Helden des Konsums, von diesen Nasen abhängig seien. "Zivilgesellschaft", sagte ich, "das war das Schlimmste am Kopenhagenzirkus. Auch du hast so getan, als ob internationale Bremserabkommen das Tempo unserer eigenen Energiewende bestimmten. Und in diesem Sinne blockiert jetzt die EU auch noch die eigene Modernisierung, indem sie nicht 30 Prozent CO2-Minderung anstrebt, sondern nur 20 Prozent!" Die Zivilgesellschaft wurde ganz still: "Aber wir mussten doch in Kopenhagen ganz viel Druck ausüben, damit überhaupt was zustande kam", entschuldigte sie sich kleinlaut. "Okay", sagte ich schnippisch "dazu hätten ja wohl auch der Christoph und der Thorben gereicht. Mussten denn hunderttausend NGOs-Johnnys in Kopenhagen rumhängen?" Die haben nämlich gefehlt, und zwar in Deutschland!

Genüsslich erinnerte ich die Zivilgesellschaft daran, dass ich vor Kopenhagen den Umweltverbänden vorgeschlagen hatte, in deutschen Haushalten eine wahrhaft spektakuläre Massenkündigung von Kohlestrom anzuzetteln. Und zwar mit Schmackes und professionellen Kampagnen. "Kohlekündigung, tolle Idee", sagten die Verbände damals, "aber wir haben dafür gerade gar keine Zeit, weil wir müssen ja alle nach Kopenhagen fahren."

Sie haben natürlich gemerkt, das war der wahre Kern dieses kleinen erfundenen Dialogs. An die Adresse der Gesellschaft gerichtet: 2010 muss zum Jahr des spektakulären Klimakulturkampfes werden. Und zwar im Inland. Da muss es so richtig krachen. Die Politik, führungslos, wie sie ist, sie wird folgen. Deshalb heißt es hammermäßig rein in die Wohnzimmer und Steckdosen, in die Autohäuser und ran an die Konzernzentralen. Also Aktionen, garantiert nicht an die Politik gerichtet. Mein Lieblingsprojekt ist der Aufbau des "Klimaclubs", von sehr sympathischen Leuten, die einfach ihre Emissionen professionell senken und damit schrecklich angeben. Wir fangen langsam an mit 50 Prozent bei privater Wärme, Sprit und Strom.

Ich werde so nach und nach enthüllen, wer außer mir und meinem großen Bruder alles mitmacht. Zum Beispiel hat mir Claudia Kemfert zugesagt, die Ökonomin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. "Jetzt die Krise nutzen" heißt ihr letztes Buch. Jawoll. Und darin schwärmt sie ganz toll von Ökosex. Ich werde ihr von meinem neuen Windrad in Gnannenweiler vorschwärmen.

Klimaclub 2010: jetzt bewerben!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.