Kolumne Ökosex: Wir wollen keine Verlängerung, kei-ne Verlängerung
Das Unmögliche möglich machen: Warum nicht Fußball, Schönheitschirurgie und Atomkraft in einem Song verwurschteln?
Erst zur Krisenstimmung in NL: Ich war Sonntag auf einer Geburtstagsparty und wir fragten uns heiter: Warum haben hier im Süden der Niederlande so viele einen fremdenfeindlichen Anti-Europäer, Grundrechteschocker und Gegner der erneuerbaren Energien gewählt?
Niemand hatte darauf wirklich eine Antwort. Anscheinend haben einige unserer Nachbarn eine ganz andere Vorstellung in Sachen NL: alles nix und schuld sind die Muslime, die EU und der ganze Klimaschutzquatsch. Das fanden alle unvorstellbar. Nächstes Thema, denn das geht bei Partys ja ruckzuck:
Martin Unfried, Jahrgang 1966, arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.
Jemand stellte sich vor, wie es wohl sei, den neuen Citroen C6 zu fahren. Hierauf wussten gleich zwei die Antwort: Das sei sicher toll, denn der sähe gut aus und sei geräumig und elegant. Das fand ich jetzt wiederum unvorstellbar, bemerkte aber höflich, in meiner Vorstellung der Welt sei kein Platz für den Populisten Wilders und den Citroen 6, denn der C6 habe einen Ausstoß von 199 g/km CO2 und das habe auch mit der BPschen Ölkatastrophe zu tun. Allgemeine Begeisterung. Natürlich hatte der Gastgeber gewusst, dass es stimmungstechnisch immer ein Risiko ist, mich einzuladen.
Gott sei Dank sprachen wir dann über Fußball, und die gute Laune der Oranje-Fans kehrte zurück. Auf dem Fiets nach Hause, im Angesicht der orange verzierten Häuser und Straßen, erinnerte ich mich an ein Gespräch mit einem deutschen Atomkraftgegner: Ist ein Song vorstellbar, der auf heitere Weise verlängerte Laufzeiten und Fußball zusammenbringt? So ein richtiger Kracher fürs Stadion mit einer tollen politischen Anti-Atom-Message? "Unmöglich", sagte ich, "das geht gar nicht!"
Weil aber das Unmögliche eine Kernkompetenz des Ökotainments ist, dichtete ich gestern dann doch auf die Melodie von "Es gibt nur einen Rudi Völler": den "Versuch über die Verlängerung". Dabei ist der Witz, dass ich das Wort Verlängerung nehme und es im Kontext von Schönheitschirurgie, WM-Finale und Atomkraft verbinde.
Wer es zuhause mitsingen möchte, das geht so mit C/F/G wie Guantanamera. Los gehts: "Ich kriege viele E-Mails, aus der ganzen Welt. Und sie fragen alle, ob mir meine Länge gefällt. Ich finde, meine Länge ist an sich ganz okay. Doch sie sagn enlargement, da sage ich: No way!" Refrain: "Keine Verlängerung, wir wollen keine Verlängerung, kei-ne Verlängerung, was hat meine Länge mit Atomkraft zu tun?"
Zweite Strophe: "Deutschland im Finale, und wir führn mit einem Tor, der Gegner flankt die Flanke, und der Robben springt empor, Latte macchiato, doch der Ball springt unten auf, Schiri, zuck die Pfeife, deutsches Herz stoppt seinen Lauf." Refrain.
Bridge: "Sie wolln die Gelddruckmaschine, sie wolln die Goldgräbermine, sie wolln die Geldruckmaschine, sie halten uns für doof". Refrain: "Keine Verlängerung …" Stadionchor der 80.000: "Komm, mach die Kündigung, ja, vom Atom mach die Kündigung, komm, mach die Kündigung, ja, vom Atom mach die Kündigung." Ich werde den Song übrigens am Freitag in Frankfurt zum ersten Mal live präsentieren. Das ist, ich weiß, unvorstellbar.
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