Kolumne Ökosex: Kleine und große Wallfahrtswunder
Frieren im ICE, lernen von Österreich, staunen mit Korea - eine Pilgerreise von DJ Ötzi bis zur Methanisierungsanlage Güssing.
M ein Sommer ist so unglaublich hot wegen Klimaschutz. Weil ich ehrenamtlich in einem Klimaschutzbeirat der Stadt Maastricht schwitze, lädt mich diese letzte Woche als kleine Aufmerksamkeit zu einem duften Open-Air-Konzert ein. Ich saß beim Weltstar André Rieu und dem Johann Strauss Orchester unter 10 .00 Zuschauern. André wohnt übrigens in meiner Nähe neben dem Feld vom Biobauern, wo ich samstags meine Gurken hole. Während die Geige geigte, hatte ich eine Offenbarung.
Diese heitere Lässigkeit, mit der André sein Publikum anspricht. Ach, könnte ich Klimaschutzdeutschland in ähnlicher Weise bezaubern, die Leute würden der deutschen Regierung das neu vorgelegte Kohlespeichergesetz um die Ohren hauen. Ganz zu schweigen von jeglichen Atom-Verlängerungswünschen. Österreich hat übrigens gar kein Atomkraftwerk. Das ist relevant, weil am Ende des Konzerts ein netter Österreicher auftrat, ein gewisser Herr Ötzi, mit seinem Stern, der einen Namen trägt. Der Name dieses Sterns war "Güssing"- und in diese österreichische Stadt sollte ich mich am nächsten Tag begeben.
Bald stellte sich heraus, dass ich auf meiner Pilgereise nach Güssing verschiedene Begegnungen haben würde: Im ICE sprach ich einen jungen Elektroingenieur. Der reiste zu einem Batterien-Kongress nach China. "Ja", sprach der Experte, das Elektroauto könne heute schon funktionieren, "aber nicht in der Karroserie unserer schweren Steinzeitautos." Ich notierte zustimmend. Das Leben übrigens, so viel mir auf, ist wie ein ICE: manchmal zu heiß, manchmal zu kalt. Ich fror von Frankfurt nach Wien, weil die Klimaanlage so kalt eingestellt war. Dafür erwärmte ein bayerischer Biolandwirt mein Herz mit einem Plädoyer für den kleinbäuerlichen, vielfältigen Hof. Ich hatte aus Kundensicht begrüßt, dass die Supermärkte in Bio machen. Er jedoch berichtete von Bio als Masse, unfairen Preisen, Getreide aus der Ukraine. "Brauchen ein Fairtrade-Label für heimische Produkte", notierte ich und stieg in Wien aus, bei 38 Grad.
Martin Unfried ist Autor der taz.
Dort traf ich die Gruppe schwitzender koreanischer Regierungsbeamter, derentwegen ich gekommen war. Sie waren auf der Suche nach dem heiligen Gral, genannt "Green Growth". Also fuhren wir nach Güssing. Im Europäischen Technologiezentrum traf ich den Ortsteil-Bürgermeister, der zeigte den Koreanern und mir eine spektakuläre Hightech-Methanisierungsanlage. Dort machen sie Holzschnitzel zu Holzgas und Holzgas zu synthetischem Gas. Mit mehr als 95 Prozent Methan! Natürlich haben die auch eine Wirbelschichtdampfvergasung, ein komplettes Nahwärmenetz im Dorf mit Solarthermie und bald flächendeckend flüssigen Biokraftstoff der zweiten Generation.
Da sprach der Bürgermeister zu den Koreanern: "Es lebe die regionale Wertschöpfung und die 100 Prozent erneuerbare Region!" Ich notierte: "Die ganze Welt kommt nach Güssing. Der jordanische König, die Berater vom Putin und Leute aus Göteborg. Die schwedische Großstadt übernimmt das Güssinger Energiekonzept. Güssing ist Aufbruch. Güssing ist hot. Hier gibt es mehr Wunder als in Lourdes."
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