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Kolumne Nullen und EinsenOptimiert von A.A.A.A.A.A. bis Z

Michael Brake
Kolumne
von Michael Brake

Das Internet hat Suchmaschinenoptimierung groß gemacht – doch es gibt sie schon viel länger. Man muss nur mal ins Telefonbuch schauen.

Nummernghetto: Die Sonstigen Einträge im Berliner Telefonbuch. Bild: privat

D as Survival of the Fittest wird fälschlicherweise oft als Überleben der Fittesten verstanden. Dabei geht es um „to fit“, also passen: Nicht die stärkste Art überlebt, sondern die, die sich am besten auf ihre Umgebung einstellt.

Im Internet ist es ganz ähnlich. Es werden nicht zwingend die schönsten und hilfreichsten Seiten von den gängigen Suchmaschinen (also der einen gängigen halt) oben gelistet, sondern diejenigen, die die beste Symbiose mit dem PageRank-Algorithmus (Fun Fact: Dieser Algorithmus ist nicht nach dem englischen Wort für Seite, sondern nach einer Person benannt) und den Webcrawler-Programmen eingehen.

S.E.O., Search Engine Optimizing, heißt die Branche, die all diese Vorgänge analysiert und auszunutzen versucht. Ein Beruf, der 0,3 Punkte auf der „Ich bin ein sinnvolles Mitglied unserer Gesellschaft“-Skala von 1 bis 10 hat und damit nur knapp hinter den Leuten liegt, die als Hot Dog oder Handy verkleidet Flugblätter verteilen.

Nun wurde Suchmaschinenoptimierung zwar durch das Internet groß, aber nicht dort erfunden. Auch der Händler mit dem knallrosa Ladenschild und der Eiswagen mit der lustigen Melodie triggern unsere körpereigenen Crawler, mit denen wir unablässlich die Kohlenstoffwelt nach interessanten Inhalten scannen: Auge und Ohr.

Bild: privat
Michael Brake

arbeitet als freier Journalist, unter anderem für taz2medien und taz.de.

Lebensmittelhersteller geben einiges Geld für Produktentwicklung aus – und danach noch viel viel mehr, um im Supermarkt im für sie optimal erscheinenden Regalsegment platziert zu werden. Für Radiostationen war es in der Analogradio-Ära vermutlich von Vorteil, wenn sie am Anfang oder Ende des UKW-Bereichs lagen. Den Frequenzsucher nur einmal beherzt an den Anschlag zu reißen, ist bequemer, als den Lieblingssender irgendwo im 94,7-Bereich herauszufummeln. Und zur Zeit von Telefonwählscheiben hatte ein Taxiunternehmen mit der Nummer 22122 eine bessere Marktposition als eins mit der 99899.

Der fortgeschrittenste Prä-Internet-S.E.O-Wettkampf wurde allerdings in Telefonbüchern ausgefochten. Eine Möglichkeit: ganz vorne stehen – oder ganz hinten (eine Option, die bei Google wegfällt). Der allererste Eintrag im aktuellen Berliner Papiertelefonbuch lautet entsprechend „A. A. A. A. E. Merchandise Corporation & Werbeproduktions-GmbH“, wobei die Leerzeichen und Punkte eine wichtige Rolle spielen, denn die „AAA Argusauge Security GmbH“ steht erst auf der zweiten Seite, weit hinter der „A S Frucht GmbH“.

Der zweite Trick ist, nicht eine, nicht zwei, nicht drei, sondern bis zu dreihundert unterschiedliche Nummern anzumelden, um in der unendlichen Kleinteiligkeit der Telefonbuchbleiwüste sofort ins Leserauge zu springen.

Doch auch im Telefonbuchverlag beschäftigt man sich offenbar mit S.E.O.-Abwehr und hat die diffuse Kategorie „Sonstige Einträge“ geschaffen. Hierhin werden Namensungetüme wie „a a a a a a a a a a a a a a absichernder allgemeiner Schlüsseldienst e.K.“ oder „! ! ! ! 0-0h Schlüssel, Schlüsseldienst, Schlüsselnotdienst Tag & Nacht e. K.“ verbannt, neben Firmen, die ganze Spalten mit leicht variierenden 0800er-Nummern füllen.

Mit Evolution hat dieses Nummernghetto natürlich nichts zu tun. Aber manchmal müssen Suchmaschinenbetreiber eben Gott spielen.

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Michael Brake
wochentaz
Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.
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12 Kommentare

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  • J
    Jay

    Einträge, ob im Telefonbuch oder Suchmaschine, die sich mit Tricks nach vorne mogeln, sind nervig und die Unternehmen dahinter manchmal nicht ungefährlich, zumindest aber teuer bei gleichzeitig wertlosem Service.

     

    Die einfachste Methode, sich als Nutzer dagegen zu wehren ist, diese A A A A-Schlüsseldienste und Co. komplett zu ignorieren. Im Grunde sind diese Einträge sogar sinnvoll, denn dadurch outen sich die dahinterstehnden Firmen schon als wahrscheinliche Betrüger. (Schlüsseldienste, die 500 Euro fürs Türeöffnen verlange oder sog. Waschmaschinenexperten ("garantiert deutscher Meisterbetrieb", jaja), die nie reparieren sondern immer neu verkaufen.

     

    Im Telefonbuch also einfach überlesen (evtl. aufgeführte Telefonnummern mit später aufgeführten vergleichen) und im Internet hilft das WOT-Plugin, das vor Scharlatanen warnt. Dank der Schwarmintelligenz.

  • N
    Norb

    Ach, bei der Taz wird nun entschieden, er ein "sinnvolles Mitglied der Gesellschaft" ist. Bitter, wie weit die Taz sich von Ihren Anfängen entfernt hat, wenn sowas live gehen darf.

     

    Zur SEO: Ja, in der Branche wimmelt es vor Schwätzern. Es gibt Leute, die sich durch Consulting eine goldene Nase verdienen, aber richtige Lösungen nicht in petto haben. Doch es gibt ja Alternativen: Einfach mal nach Agenturen suchen, die erfolgsbasiert arbeiten. Die gibt es nämlich auch und im Gegensatz zu den vielfach erwähnten "Scharlatanen" kriegen die erst Geld wenn Sie was erreichen.

     

    Auf die fachliche Qualität der Kommentare und des Artikels möchte ich gar nicht eingehen. Man geht ja davon aus, dass ein Journalist vor Veröffentlichung eines Artikels wenigstens recherchieren kann. Der Autor jedoch kann nicht mal das.

     

    Gerne biete ich Ihnen an, bei mir als Seo-Refskteur anzufangen, dann gehen wir das kleine 1x1 des Journalismus nochmal durch. Denn DAS z. B. ist SEO.

  • HS
    Horst Sander

    Sehr geehrter Herr Brake!

     

    Geben Sie doch bitte noch kurz bekannt, welchen Sinn dieser Kommentar hatte? Einzig über den Spruch "0,3 Punkte auf der „Ich bin ein sinnvolles Mitglied unserer Gesellschaft“-Skala" konnte ich schmunzeln.

     

    Ehrlich, ich hab´s einfach nicht verstanden, was dieser Kommentar sollte? Schnell runtergeschrieben, weil noch ein Kommentar von Ihnen offen war? Oder fehlten auf taz.de noch die Keywords Suchmaschinenoptimierung und SEO?

     

    Ich wünschte mir wirklich, dass ich nie wieder einen Kommentar lesen muss, der weder Aussage, noch Inhalt, noch Pointe hat. Schade!

  • KW
    Kerstin W

    Top Artikel!

  • F
    Fremdschämen

    mauersegler: SEO hat Mehrwert - höheres Ranking = mehr Traffic! Welchen Mehrwert hat den Social Media - das ist überhaupt nicht bzw. kaum wirklich zu operationalisieren, aber hey - da sollte man dabei sein. Es gibt viele schlechte Agenturen - wenn Sie eine Onpage Analyse von einer Agentur kaufen die nur 1000€ nimmt kahn ich Ihnen garantieren, dass Sie keine Erfolge sehen. Das ist doch das Problem - wollen Erfolg aber bitte zu geringem Preis. Geiz ist geil sollte bei Unternehmen nicht zählen. Lesen Sie sich doch einfach mal fachliche Kommentare zu der Traffic und Conversion Entwicklung die durch gute SEO entsteht durch. Dann würden Sie Ihren Kommentar nicht so schreiben. Informieren Sie sich mal, welche SEO-Agenturen wirklich gut sind. Da gibt es höchstens 3-4 iN Deutchland. Was der Bauer nicht kennt, dass frisst er nicht!

  • F
    Fremdschämen

    Leute die keine Ahnung von Der SEO-Industrie haben sollten einfach mal ruhig sein. Bei den Kommentaren sowie Artikel merkt man dies gänzlich. Vielleicht sollten sie sich mal mit Leuten unterhalten, was SEO eigentlich ist. Ja da zählt auch Content zu der gut ist. Aber Hauptsache bashen. Das ist Deutschland - wenn man keine Ahnung hat und neidisch auf die Ergebnisse anderer ist werden diese direkt in den Dreck gezogen.

  • G
    gähn

    @OP & mauersegler

     

    Da quillt der Neid doch nur so zwische den Zeilen hervor. Gar ekelhaft. Entwicklung verpasst und nu neidisch auf die 3 Mann (und Frau) Klitschen im hippen Hamburger Büro die mit Ihrer Umsatzsteuer allein Herr Wulffs jährlichen Ehrensold bezahlen?

  • M
    mauersegler

    @SEO

     

    Haben Sie evtl. mal die Empfehlungen von Google für eine gutes Ranking gelesen? Wenn ja, ist Ihnen dabei zufällig einmal das Wort "Content" begegnet? Wissen Sie, was das bedeutet? Das heißt auf Deutsch "Inhalt" (ist leider selten heutzutage) und an dem mangelt es den Sites, die Geld für SEO rausschmeissen, ganz erheblich. Übersetzt in den zwischenmenschlichen Bereich lautet die Google-Empfehlung: "Wer nichts Wichtiges zu sagen hat, der soll einfach mal die Klappe halten."

     

    Ich kenne Sites, die nie SEO getrieben haben und deren Design und technischer Stand von 1999 ist. Keine "Keyword-Frequency-Optimierung", keine von Sklaven gehackten Dummy-Texte für den Googlebot - und trotzdem bei Google auf Seite 1. Weil es dort interessante Dinge zu lesen oder zu kaufen gibt. Und so soll es sein, das meint Google auch.

     

    Ich hoffe, daß ich diesem Quatsch bald entkommen kann, denn wie der Artikel treffend bemerkt: "Ein Beruf, der 0,3 Punkte auf der „Ich bin ein sinnvolles Mitglied unserer Gesellschaft“-Skala von 1 bis 10 hat und damit nur knapp hinter den Leuten liegt, die als Hot Dog oder Handy verkleidet Flugblätter verteilen."

     

    Dafür ist mir mein Leben zu schade. Verbringen Sie, lieber SEO, ruhig weiter Ihre Zeit damit. Die vielen Narren werden Ihnen zu Füßen liegen und an Ihren Lippen hängen, genießen Sie es!

  • S
    SEO

    @mauersegler

     

    Na, wenn's doch so einfach ist und Sie als ernsthafter(!) Programmierer das alles sowieso besser kennen und können, warum machen Sie es denn dann nicht selbst - gegen eine geringe Gehaltserhöhung selbstverständlich. Selbst eine Gehaltserhöhung von 50% sollte Ihren Chef doch günstiger kommen, als die "Unsummen", die er den SEO-Scharlatanen in den digitalen Rachen schmeißt?

     

    Ach ja, der "Mehrwert" ist übrigens messbar. Fragen Sie mal einen Internet-Shopbetreiber, der auf Platz 1 und einen, der auf Platz 11 steht, welche Umsätze sie fahren.

  • M
    mauersegler

    SEO ist DER angesagte Top-Kukolores, mit dem man dummen Schlipsträgern Unsummen Geld abnehmen kann. Niemand hat bis jetzt nachweisen können, daß dadurch ein Mehrwert für die Unternehmen entsteht. Trotzdem werden dafür Unsummen ausgegeben, mag gleichzeitig ruhig alles Andere in der Firma steil den Bach heruntergehen. Ich schreibe das als Betroffener. Bei so einem Gaga-Thema haben naturgemäß laute Dummschwätzer das Sagen und als involvierter ernsthafter Programmierer windet man sich in den Meetings und bei Lektüre der Dokumente vor Fremd-Scham und Peinlichkeit.

     

    Wenn Internet-Economy ein Irrenhaus ist, ist SEO die Zentrale.

  • F
    Frederik

    gefällt mir.

  • E
    emil

    "triggern unsere körpereigenen Crawler"

     

    ähh?