Kolumne Mithulogie: Put that in your Pippi Langstrumpf!
Ja, auch tolle Menschen können ab und zu diskriminierende Wörter verwenden. Auch der tolle Mensch, der man selber ist.
E in Büchereibesucher hat in Schweden Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet, weil bei Pippi Langstrumpf das N-Wort vorkam. Klar, das ist ein Bulldozer, um eine Nuss zu knacken. Aber: Das N-Wort ist nun einmal die Macadamia unter den harten Nüssen.
Dennoch ist mir nicht klar, warum Leute als Erstes zu Papa Staat rennen, anstatt zum Beispiel eine nette Bibliothekarin zu fragen, ob sie eine neuere Version von „Pippi in Taka-Tuka-Land“ besorgen könnte? Denn darin wird Pippis Vater „Südseekönig“ und nicht … na ist ja klar, was er nicht mehr genannt wird. Trotzdem ist es richtig und wichtig, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Wörter gar nicht gehen. Was die Bibliotheksleiterin übrigens genauso sah und das Hörspiel ohne Einwände ersetzte. Und sie ist auch nicht verurteilt worden.
Also könnte ich mich abregen, wenn daraufhin nicht – Bingo! – unser alter Freund, die Debatte, ob man die Sprache toter Autoren verändern darf, auftauchen würde.
Natürlich ist Astrid Lindgren keine Rassistin in dem Sinne, dass sie dachte: Hihi, heute mal Schwarze Menschen diskriminieren. Ganz im Gegenteil ist eine progressivere Kinderbuchautorin kaum vorstellbar. Was nur zeigt, dass auch tolle Menschen verletzende und zutiefst diskriminierende Ausdrücke verwenden – und es dann unsere Aufgabe ist, diese durch bessere zu ersetzen.
Das ist weder Zensur noch übertrieben, sondern lediglich gutes Lektorat. Der Gedanke, dass ein Text ein Kunstwerk ist, das nicht verändert werden darf, ist absurd. Dann dürften wir niemals Literatur übersetzen. Oder der neuen Rechtschreibung anpassen. Natürlich steht es dem Verlag frei, eine historisch-kritische Ausgabe zu machen, die dann auch gern in die Unibibliothek gestellt werden darf.
Dieser Text hier ist auch nicht Mithu pur, sondern hoffentlich von einem*r Redakteur*in redigiert. Und das können Menschen auch gern nach meinem Tod tun, so sie dann noch Interesse haben, meine Texte zu lesen. Ein Beispiel: In meiner Kulturgeschichte der Vulva spreche ich vom weiblichen Genital. Könnte das bitte jemand ändern? Allein schon, damit niemand in Zukunft denkt: Die wusste ja nicht mal, dass nicht nur Frauen eine Vulva haben. Stimmt, aber ich darf zum Glück dazulernen.
Da die größten Kritiker der Elche früher selber welche waren, stößt mir in den ganzen tollen Artikeln über die Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass es ab jetzt einen dritten Geschlechtseintrag im Geburtenregister geben muss, auf, wie häufig darin das Wort „Geschlechtsumwandlung“ vorkommt. Dabei kann man sein Geschlecht nicht umwandeln. Genauso wenig, wie man einem Menschen durch eine OP ein anderes Geschlecht anoperieren kann. Ein Geschlecht haben wir von Anfang an, nur stimmen in manchen Fällen die Genitalien nicht damit überein. Deshalb ist der richtige Begriff „genitalangleichende Operation“, so es denn eine OP gibt. Oder am besten „Geschlechtsangleichung“.
Put that in your Pippi Langstrumpf!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen