Kolumne Männer: Gesprengte Ketten
Das Landgericht Bielefeld befand, dass Männer stinken und schweigen sollen. Zum Glück gibt es eine zweite Instanz.
M anchmal wünsche ich, ich säße in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede. Zwar war ich noch nie länger in dieser Stadt, als ich zum Umsteigen auf dem Bahnsteig brauche. Doch seit kurzem hege ich ein zärtliches Gefühl, dass das Zusammenleben von Männern und Frauen im dortigen Gefängnis weiser geregelt ist als im verwirrenden, ungerechten Rest der Welt.
Das hat den unsexy Grund, dass ich von einem Gerichtsstreit las. Ein Häftling im Gefängnis Bielefeld-Brackwede hatte sich durch die Instanzen geklagt, um so behandelt zu werden wie die weiblichen Insassen nebenan: Die durften jeden Monat vom eigenen Konto 25 Euro für Kosmetik ausgeben und 30 Euro für Telefonate. Dieses Geld durfte nicht gepfändet werden, um Opfer zu entschädigen. Bei Männern schon. Der Klage-Marathon des Häftlings begann. Doch das Landgericht Bielefeld befand: Die Bevorzugung weiblicher Gefangener folge "dem üblichen Brauch auch außerhalb der Anstalt". Sie haben richtig gelesen: Wer ein Mann ist, aber partout plaudern und nicht stinken will, verhält sich demnach nicht brauchtumskonform. Vielleicht habe ich Bielefeld ja unbewusst gemieden, wegen des Geruchs.
Vom sicherlich frisch gewaschenen Bundesverfassungsgericht wurde der zäh um Pickelcreme und Pläuschchen kämpfende Häftling endlich erhört. Von einer Frau. Die Vorsitzende Richterin urteilte: "An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen" seien nur mit dem Grundgesetz vereinbar, "soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten, zwingend erforderlich sind".
Matthias Lohre ist Parlamentskorrespondent der taz.
Ich vermute mal, die Richterin meinte den Umgang mit Tampons, BHs und Färbemittel, das graue Haare lila macht. Bei allem anderen kann man nicht mehr sicher sein, dass nur ein Geschlecht darauf Anspruch erhebt. Zum Beispiel auf rasierte Achseln, Stripshows und Amokläufe. Es ist kompliziert geworden. Aber nicht gerecht.
Weise urteilte das Gericht: Den Angehörigen eines Geschlechts könne die Befriedigung eines Interesses nicht allein "mit der Begründung versagt werden, dass es sich um ein typischerweise beim anderen Geschlecht auftretendes Interesse handele". Ich wünschte, das Wort der Richterin zählte auch da, wo es hart zugeht, statt nur im Knast.
Sicher kann sie sich nicht den Spott vorstellen, den ich seitens ach so aufgeklärter Kolleginnen erdulden musste, nachdem ich in einem Text erwähnt hatte, ich sei kein Gegner von Körperpflegeprodukten. Wie sehen wohl ihre Lebenspartner aus? Was ist bloß schiefgelaufen, dass die Gender-Debatte in einem Gefängnis in der übel riechenden Kniebeuge der Welt weiter ist als in der taz?
Einigen wir uns doch einfach hierauf: Männer und Frauen sind nicht gleich in allen ihren Anlagen und Bedürfnissen, sie dürfen jedoch jederzeit so tun, als ob. Sie müssen es aber nicht. Dann bliebe es mir künftig erspart, anderen Männern vorzugaukeln, ich hätte eine Meinung zu Tabellenplatzierungen in der Bundesliga. Wenn nicht, verlasse ich diese grausame Welt. Karlsruhe soll ja sehr schön sein.
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