Kolumne Männer: Einer flog über das Kuckucksnest
Männer müssen heute überall etwas leisten. Sogar in der Küche. Ein scharfes Messer ist da auf jeden Fall hilfreich.
I ch kam mir vor wie Jack Nicholson. Leider nicht wie der Motorrad fahrende Jack Nicholson in "Easy Rider". Ja, nicht einmal wie der Axt schwingende Nicholson in "The Shining". Sondern ich fühlte mich wie Jack Nicholson am Schluss von "Einer flog über das Kuckucksnest". Sie wissen schon: Da hockte der gerade noch Hellwache nach brutaler Gehirnoperation sabbernd im Stuhl und verstand die Welt nicht mehr. So ungefähr also kam ich mir vor, als ich neulich eine Frau bekochen wollte.
Es klingelte an meiner Wohnungstür. "Na, das riecht aber gut", hörte ich besagte Freundin rufen, als sie noch die Treppen hinaufstieg. Ob sie auch gesagt hätte: "Na, das riecht aber widerwärtig" oder "Na, da hat aber einer Hülsenfrüchte gegessen und nicht genug gelüftet"?
Ich hatte gekocht: dünne Spaghetti mit einer selbst zusammengerührten Tomatensauce, dazu grüner Salat. "Ah", sagte die Freundin im Bemühen, ihre gespielte Euphorie aufrechtzuerhalten, "Capellini, Siciliana, Rukola. Schön, schön." Ich blickte auf meinen Herd und reimte mir zusammen, dass sie wohl vom Essen redete.
Nach zwei, drei Höflichkeitsbissen bemerkte die Freundin mit gespieltem Interesse: "Ach, du hast Tomaten in die Sauce getan?" - "Ja", antwortete ich freudig. "Einfach schnibbeln, dann in die scharfe Tomaten-…" - "Siciliana-" - "Siciliana-Sauce, genau, fertig ist die Laube. Gut, was?" Heute weiß ich, es war keine gute Idee, sie zu fragen, was sie anders gemacht hätte.
MATTHIAS LOHRE ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
"Ganz einfach, Rhabarber, hast du frischen Koriander da?, Rhabarber, macht nichts, Rhabarber, andünsten, Rhabarber, Basilikum auf der Fensterbank anbauen, Rhabarber, Knoblauchpresse, Rhabarber, Wetzstahl, Rhabarber, Parmesanmesser, Rhabarber, schon fertig!" Danach fühlte ich mich so blöde wie Nicholson in "Kuckucksnest". Mit dem Unterschied, dass der Glückspilz jemanden kannte, der ihn gnädigerweise mit einem Kissen erstickte.
Macht nichts, sagte ich mir. So sind Männer halt: froh über große Portionen, aber desinteressiert an deren Zubereitung. Ich wärmte mich am steten Glimmen der Geschlechtsstereotype. Bis vor kurzem. Da stieß ich auf Beef!, eine Hochglanzzeitschrift über Essen für Männer. Deren Chefredakteur bewirbt das Magazin als "eines, das ins Detail geht und mehr bietet als 25 Nudelrezepte, die Kinder mögen. Weil wir es gar nicht leicht wollen, sondern schwierig. (…) Weil wir nicht 25-mal im Monat kochen, sondern viermal im Jahr. Dafür wollen wir mehr wissen über den Druck in der Espressomaschine, den Schärfegrad japanischer Messer und den Weltmarkt für Thunfisch."
Also ich will das alles nicht wissen. Ich will eines der letzten Klischees über Männer zurück. Es schützte mich vorm Vordringen des Leistungsgedankens in meine Küche. In meinem Schlaf- und Badezimmer hat er sich ja schon breitgemacht. Außerdem: 25 Nudelrezepte? So viele gibts doch gar nicht.
"… oder frischen Thymian, ich hab zufällig was dabei", sagte die Freundin. "Hast du ein ganz scharfes Messer da?" Hatte ich nicht. Wo ist der Nicholson aus "The Shining" mit seiner Axt, wenn man ihn mal braucht?
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