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Kolumne MännerOutbreak

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Männer dürfen nicht zugeben, dass sie krank sind. Oder behaupten, sie seien gesund.

W enn Sie sich mal richtig scheußlich fühlen wollen, habe ich einen Tipp für Sie. Treffen Sie eine kränkelnde Freundin. Unterhalten Sie sich mit ihr ausdauernd über ihre Erkältung, ihr Singledasein, ihre Erkältung und ihr Singledasein. Und dann lassen Sie besagte Freundin an Ihrem Bier nippen, weil Sie ihrer Beteuerung glauben, sie sei bestimmt nicht mehr ansteckend. Bei mir hat das sehr gut geklappt.

Drei Tage später trafen wir einander zum Kaffee. Die Freundin war mittlerweile genesen. Nach einer Weile sagte sie: "Du hast ja ganz kleine, rote Augen. Alles ok?"

"Nur eine Erkältung", antwortete ich. "Ist bald vorbei, ich huste schon ab."

privat
MATTHIAS LOHRE

ist Reporter der taz.

"Wenn Du Husten hast, ist es keine Erkältung, sondern eine Bronchitis. Das weiß doch jeder!"

"Ach so." Hüstel. "Und was macht man so dagegen?"

Für wenige Minuten, nicht länger als Simon & Garfunkels Lied "I Am A Rock", sprachen wir über wärmende Tees, Schals und eines der unschönsten Wörter deutscher Sprache: Schmierinfektion. Dann seufzte sie und sagte: "Männer: entweder Hypochonder oder Leugner."

Ich hustete, damit die Freundin nicht sah, wie ich mit den Augen rollte. Ich kann Ihnen sagen: Das ist gar nicht so einfach.

"Vielleicht", konterte ich, "ist das eine verschobene Wahrnehmung durch Frauen." Die Freundin machte sich nicht die Mühe, beim Augenrollen zu husten. "Na, wenn es um Gesundheit von Männern geht, gibt es zwei Klischees", sagte ich: "Entweder ignorieren sie aus Tumbheit die Warnsignale ihres Körpers. Oder sie sind Hypochonder, die sich aus Ichbezogenheit gar nicht genug leid tun können. Ich habe aber einfach eine Erkältung."

"Bronchitis …"

"Genau. Und das habe ich gelernt, indem wir kurz darüber geplaudert haben. Bin ich jetzt ein Hypochonder?"

"Wir haben schon recht lange darüber geredet", sagte die Freundin. "Aber warum musst du das gleich so verallgemeinern?"

"Und zu sagen, Männer seien entweder Hypochonder oder Leugner, ist keine Verallgemeinerung?"

"Nö", antwortete die Freundin achselzuckend. "Das is so." Es ist übrigens nicht leicht, einmal ruhig tief ein- und auszuatmen, wenn man Bronchitis hat.

Ich erinnerte mich an Sätze des Männerforschers und Paarberaters Matthias Stiehler. Der schreibt, Männer würden heutzutage aufgefordert "zu einer scheinbaren Veränderung, die jedoch bei genauerer Betrachtung nur die traditionelle männliche Grundhaltung perfektionieren möchte". Denn sie sollen nach wie vor nach äußeren Ansprüchen funktionieren: denen von Vorgesetzten, Freunden, Lebenspartnern. Aber: "Sie sollen nicht auf ihre Bedürfnisse achten, denn das täten sie in ihrem männlichen Egoismus eh zu viel." Ein Dilemma.

Bei "I Am A Rock" heißt es: "I touch no one and no one touches me." Der Satz eines Mannes, der seine Bedürfnisse verleugnet und darüber vereinsamt. So bin ich nicht. Zum Abschied gab ich der Freundin einen Wangenkuss. Ich weiß ja jetzt: Bronchitiserreger verbreiten sich blendend per Schmierinfektion.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

3 Kommentare

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  • R
    Riin

    Ich finde das Thema, um das es in dieser Kolumne regelmäig geht, die Rolle des Mannes, sehr wichtig. Um so ärgerlicher ist es, dass sich die Texte regelmäßig auf dem Niveau von Episodengeschichten in Fernsehzeitungen bewegen (eigentlich erinnern sie mich an "Dinner für zwei" oder so ähnlich aus dem Prisma). Mein Vorkommentator Jörn hat jedenfalls in einem Absatz mehr Reflexion als der ganze Artikel zusammen.

  • J
    Jörn

    Es gibt kaum noch positive Männerrollen in den Medien. Immer sind die Männer irgendwie Idioten: Schwanzfixiert oder langweilig, wehklagend oder unempfindsam, verbohrt oder ohne Profil.

     

    Es spornt Männer wenig so viel an, wie die Bewunderung durch eine Frau. Daher machen wir uns all zu oft zum Affen und akzeptieren noch jede Schublade, in die uns Frau steckt.

     

    Wir Männer können aber in der Tat von den Frauen lernen. Nicht in dem wir ihr Hampelmann werden, sondern in der Emmanzipation. Auch wenn für Frauen die männliche Anerkennung wichtig ist, so haben Generationen an Emmanzipationsunterricht inzwischen bewirkt, dass sie sich nicht mehr von der Bewertung der Männer abhängig machen. Chauviwitze sind genauso verpönt wie sexistische Werbung. Schlagende Männer sind ganz out.

     

    Nun sind wir dran. Den nächsten Männerwitz gekonnt gekontert und die Werbung, die Männer herabwürdigt, abgerissen. Zu Frauen, die meinen ihre Enttäuschung durch eine Ohrfeige ausdrücken zu müssen, sollten wir den Kontakt abbrechen. So können wir dann für unsere Gleichberechtigung kämpfen - denn auch Väter und Mütter sollten gleichberechtigt sein.

  • N
    NormalBürger

    Hallo Herr Lohre, ein netter Artikel. Ich empfinde es auch als ein Phänomen, dass es fast ausschliesslich Frauen sind die ständig meinen sie hätten die einzige Wahrheit gepachtet. (Das ist eben so, basta). Frauen wollen ständig erziehen und zu ihrem Vorteil ihre Umwelt verändern. Dazu gehören auch Männer. Komischerweise gibt es immer noch genug Männer die sich das gefallen lassen. Es fehlt am Selbstbewusstsein der Männer solchen Frauen klar mal die Grenzen aufzuzeigen. Auch die Medien sind darauf gebürstet ständig den Frauen im Allerwertesten herumzukriechen. Da werden solche Blödsinnigkeiten wie "Frauen sind multitaskinfähig" verbreitet, obwohl man schon längst weiß, dass das weder Mann noch Frau gegeben ist.

    Aber Beiträge wie der Ihrige machen Mut, dass sich langsam was in den Köpfen ändert.

    Vielen Dank

    NB