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Kolumne MännerEat Drink Man Woman

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Wenn ein Mann Vegetarier ist, sei das extrem unsexy, sagen mir Frauen. Ich kann das erklären.

L ange Friedenszeiten machen Menschen mürbe. Statt sich vor Existenziellem zu fürchten, etwa Krieg oder Hungersnöten, entwickeln sie putzige Abneigungen und Ängste. Irgendwas muss man ja schlimm finden. Zwei Freundinnen haben mir versichert, sie könnten niemals, also wirklich nie etwas mit einem Vegetarier anfangen. Ein richtiger Mann müsse Fleisch essen. Ich kann das erklären.

Für die eine Freundin symbolisiert Fleischkonsum Genussfähigkeit. Einen guten Braten dürfe kein vernünftiger Mensch verschmähen. Wer das tue, sei auch in anderen Lebensbereichen genussfeindlich, womöglich gar Antialkoholiker, also nicht vertrauenswürdig. Die andere behauptet, Fleisch und Männlichkeit hingen einfach zusammen. Vermutlich sei es eine dumpfe Erinnerung an die gute alte Steinzeit, als Männer in ihre Höhle halbe Tiere nicht nur mitschleppten, sondern selbst welche waren.

Mein erster Gedanke war: Die beiden Frauen haben eine getrübte Wahrnehmung, schließlich sind wir befreundet. Dann überlegte ich: Womöglich ist ihre Fleischeslust eine unterschwellige Ablehnung des gängigen Feminismus. Auch das kann ich erklären.

taz
Matthias Lohre

ist Parlamentsredakteur der taz.

Auf der Internetseite des Vegetarierbunds Deutschland las ich: „Feministinnen sehen im Fleisch das Symbol männlicher Dominanz und weiblicher Entmachtung. Der Vegetarismus dagegen steht für eine Handlung autonomer Weiblichkeit und für die Ablehnung männlicher Kontrolle und Gewalt. Dennoch ist Vegetarismus nicht nur Frauen vorbehalten, sondern allen Menschen, die sich für die Rechte der Frauen, Tiere und den Schutz ihrer gesamten sozialen und ökologischen Umwelt einsetzen wollen.“ Wer Tofu isst, schützt also nicht nur Tiere in ihrem Bestand, sondern auch Frauen.

Indem meine Freundinnen Karnivoren bevorzugen, dachte ich, kehren sie der feministischen Deutung des Fleischkonsums womöglich bewusst den Rücken. Nach dem Motto der großen Trude Herr: „Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann.“ Anders gesagt: Männer sollen Kerle sein. Sie sollen nicht ihren Cholesterinwert fürchten, sondern lustvoll über die Stränge schlagen. Klingt logisch. Dachte ich.

Dann traf ich einen Freund. Er dreht Berichte für eine Vorabendsendung, die Alltägliches erklärt wie: Wie kommt die Kohlensäure ins Wasser? Er sagte: „Fleisch bringt Quote. Wenn Dönerspieße aufgeschichtet werden oder Wurst durch den Wolf gedreht wird, bleiben die Zuschauer beim Zappen hängen. Die können gar nicht anders.“

Vielleicht also haben Fleisch und Männlichkeit weit weniger miteinander zu tun, als Vegetarier und meine Freundinnen behaupten. Nicht den Mann finden sie, je nach Gusto, aggressiv oder attraktiv, sondern das mit ihm assoziierte Fleisch.

2010 trug Lady Gaga bei einer Preisverleihung ein Kleid aus zehn Kilogramm Rindfleisch spazieren, das wunschgemäß Aufmerksamkeit erzielte. Später erklärte die Sängerin, sie habe zeigen wollen, „dass wir für unsere Überzeugungen eintreten und für unsere Rechte kämpfen müssen“. Also das kann ich beim besten Willen nicht erklären.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

22 Kommentare

 / 
  • EC
    El Commandante

    Matthias erklär mir doch bitte das Wort "SEXY", ja?!

  • S
    Steffi

    Lady Gaga muss man auch nicht erklären können.

    Sie existiert, was soweit ihr gutes Recht ist.

    Dass kann man wichtig finden und man kanns sein lassen.

    Ich persönlich lasse es lieber.

  • P
    PrinzessinValium

    Vegetarier denken wenigstens mit. Wie war das mit Verantwortungsbewusstsein & Co?

  • A
    abby_thur

    Fleischverweigerung ist unmännlich, weil damit Empathie gegenüber Tieren ausgedrückt wird.

    Und Empathie ist eh seit eh und je Unmännlich.

  • MT
    Miaowara Tomokato

    Möglicherweise liegt es auch daran, dass die ganzen Vegetarier und Veganer das Klischee der "Schmerzensänner" so wunderbar bedienen, dass einem schlecht wird. Dass frau dann an sowas die Lust vergeht ist mehr als nachvollziehbar.

    Erst gendermainstreamen und hinterher heulen, wenn es in die Hose geht is´ nich´.

  • M
    Martina

    Ich finde Vegetarier extrem sexy, weil sie verantwortungsbewusst handeln und das einzige Argument für den Fleischkonsum "Es schmeckt einfach so lecker" nicht über all die Gegenargumente stellen. Frauen die finden, dass Männer Fleich essen müssen, scheinen ein sehr traditionelles Männerbild zu haben, die finden das wahrscheinlich auch toll wenn Mann sich ab und zu prügelt, um zu zeigen wie wahnsinnig männlich er ist. Armselig!

  • V
    vantast

    Was soll das ganze Philosophieren? Die Hauptsache beim Vegetarismus ist doch, Tiere nicht unnötig leiden zu lassen, sie erleben Ängste und Schmerzen wie wir. Wer gefühllos ist, kann das natürlich nicht verstehen.

  • KO
    Klischee Olé

    Vielleicht sind ihre tiefsinnigen Freundinnen ja auch von der Legende in posttraumaatischer Weise beeinflusst, Hitler sei Vegetarier gewesen.

  • M
    Michael

    @Fred: Stand da evtl. ein Grill am Ziel?

  • MT
    Miaowara Tomokato

    "Lange Friedenszeiten machen Menschen mürbe. Statt sich vor Existenziellem zu fürchten, etwa Krieg oder Hungersnöten, entwickeln sie putzige Abneigungen und Ängste."

     

    Haargenau! Wie zum Beispiel Tierrechte oder Hoplophobie (Angst vor Waffen) oder Verteufelung von Sportarten (MMA)oder....oder....oder....

    Im schlimmsten Fall werden sie religiös,weiten ihre Ängste auf den Menschen selbst aus und gehen mir damit auf die Nerven.

  • S
    Slobo

    Grotesk, was manche Leute für Vorstellungen haben...ähnlich sinnfrei ist die Assoziation Mann-Fußball. Manche Frauen können nicht verstehen, dass es auch Männer gibt, die sowas nicht interessiert.

  • B
    Bernie

    Wenn man weiss was heutzutage so alles im Fleisch steckt, hat Vegetarismus nicht nur mit Mitgefühl zu tun. (obwohl dass sicher wichtig ist! Schon Earthlings gesehen?)

     

    Die Nahrungwerte im Fleisch (Eisen, Magnesium usw.) sind in 50 Jahre etwa um die Hälfte gesunken. Dagegen gibt es immer Antibiotika, Pestiziden und andere Gifte im Fleisch.

     

    Fleisch-Esser bekommen um 40% heufiger Krebs, sind auch heufiger übergewichtig und krank.

     

    Fleisch ist also nicht besonders gesund mehr und es macht eher unsexy.

     

    Ich bin seit 7 Jahre Vegetarier und habe total keine Lust mehr auf Fleisch.

  • C
    Cordula

    Komische Frauen, die Männlichkeit an solchen 'Äußerlichkeiten' festmachen. Ich finde fleischbesessene Männer, die nicht ohne können, eher abstoßend, vielleicht liegt das aber auch daran, dass sie oft selber Fleischberge sind... :)

    Und ich charakterisiere mich selber auch als jemand, der/die sehr gut genießen kann, es gibt ja schließlich noch mehr als Fleisch, was man sich auf der Zunge zergehen lassen kann, oder?

  • LH
    Lord Helmchen

    @ Petroff

     

    Der war gut, hahaha!!!

     

    Ich esse seit etwa 20 Jahren kein Fleisch und kann mich nicht mehr daran erinnern, ob er damals kleiner geworden ist. Ich würde es auch garnicht ausprobieren wollen, weil meine Freundin mich extrem sexy findet als Vegetarier. Sie liebt meine Konsequenz, mein Verantwortungsgefühl und mein Mitfühlen; und auch noch so ein paar andere Dinge direkt an mir. hahaha

     

    Helmlord

  • T
    Toni

    "Feministinnen sehen im Fleisch das Symbol männlicher Dominanz und weiblicher Entmachtung. Der Vegetarismus dagegen steht für eine Handlung autonomer Weiblichkeit und für die Ablehnung männlicher Kontrolle und Gewalt. Dennoch ist Vegetarismus nicht nur Frauen vorbehalten, sondern allen Menschen, die sich für die Rechte der Frauen, Tiere und den Schutz ihrer gesamten sozialen und ökologischen Umwelt einsetzen wollen.“

     

    Ein Grund mehr Fleisch zu essen. Wenn das die Feministen ärgert ist das für mich Grund genug und motivierend. Ab jetzt gibts also nur noch Fleisch mit Fleischsalat mit einer Prise Fleisch und Fleischsoße.

     

    "Cosmo Karma:

    Vielleicht ist es nur unmännlich und hysterisch, aus dem eigenen Geschmack eine Religion zu machen."

     

    So siehts aus. Und die Antwort von Anita ist perfekt. =)

     

    @Dachboden: Curry ist immer vegetarisch - ist nämlich ne Pflanze/ein Gewürz ;).

  • M
    Moik

    Also ich esse kein Fleisch und kann dennoch saufen wie ein Loch! Dementsprechend: Aussage widerlegt! Prost!

  • D
    Dachboden

    Ist doch schon seltsam, dass so viele Leute denken, dass das Ablehnen eines Bratens mangelnde Genußfähigkeit bedeutet.

    Ich kann doch genießen was ich will und wenn das nunmal eher ein vegetarisches Curry ist das halt so.

     

    Fleischkonsum ist eben nach wie vor für viele ein gesellschaftliches Ereignis und wer da nicht teilnimmt, sondern freundlich ablehnt (und dementsprechend zahllose Familienfeiern mit trocken Brot verbringen muss, weil selbst im Salat Fleisch war)stört den Frieden indem er/sie den anderen zeigt, dass es auch ohne Fleisch geht, sogar sehr gut gehen kann (vorausgesetzt es ist mehr vegetarisches als nur Brot im Haus).

  • P
    Petroff

    Vielleicht haben das andere auch an sich selbst beobachtet:

    Wenn mann auf vegetarisch/vegan umstellt, schrumpft der Pipimann (im schlaffen Zustand), ähnlich wie in kaltem Wasser ...

  • H
    HamburgerX

    "Also das kann ich beim besten Willen nicht erklären."

     

    Darum heißt die Dame ja auch "Lady Gaga".

  • F
    Fred

    Carl Lewis war der erste Athlet der Welt, der 100 Meter unter 10 Sekunden gelaufen ist. Nach eigener Aussage hat er seine besten Leistungen als Athlet erzielt, nachdem er auf vegane Kost umgestellt hatte. Fleischverzicht macht schnell.

  • A
    Anita

    Vegetariertum ist keine Religion.

  • CK
    Cosmo Karma

    Vielleicht ist es nur unmännlich und hysterisch, aus dem eigenen Geschmack eine Religion zu machen.