Kolumne Macht: Ein Silberstreif ist sichtbar
Die Popularität der AfD nimmt ab, die Umfragewerte von Trump sind schlecht. Falls es gut geht, wird der Wert der Demokratie hoffentlich deutlicher.
D er Unterhaltungswert sinkt, wenn sich jemand nicht nur gelegentlich, sondern beinahe stündlich zum Affen macht. Äußerungen des US-Präsidenten, über die vor zwei, drei Wochen noch viele gehöhnt hätten, werden inzwischen nur noch mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Der Mensch gewöhnt sich schnell. An vieles.
Mit Lachen allein wird man die Geister, die Donald Trump entfesselt, nicht in ihre Flaschen zurückschicken können. Obwohl es hilft, Trübsal zu vertreiben: Das Video, das ihn und den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe beim Händeschütteln zeigt, ist noch in der schwärzesten Stunde lustig.
Aber die Erleichterung hält eben nicht an. Zumal die Furcht vor dem, was Donald Trump anrichten könnte, ja nicht kleiner wird, je absurder er sich verhält, und sie ist berechtigt. Die Tatsache, dass er jederzeit – ohne Vorwarnung, ohne Kontrolle, ohne Rückfrage – einen Nuklearangriff auslösen kann, lässt sich nicht wegwitzeln.
Dennoch gibt es Silberstreifen am Horizont, schmale zwar, aber sichtbare. Die AfD verliert an Zustimmung. Schon wahr, sie wird vermutlich im nächsten Bundestag vertreten sein. Aber diejenigen ihrer potenziellen Wählerinnen und Wähler scheinen ins Grübeln zu kommen, die weder rechtsextrem sind noch rassistisch, sondern einfach – Zitate aus Leserzuschriften – „es den arroganten Eliten“ mal „zeigen“ und „alle Karten neu mischen“ und „das Spiel neu“ beginnen wollen.
Attraktiv ist das nicht
Immerhin lässt sich derzeit in den USA besichtigen, wie es aussieht, wenn alles auf Null gestellt und mangelnde Professionalität für ein Qualifikationsmerkmal gehalten wird. Attraktiv ist das nicht. Übrigens gerade nicht für Konservative, deren Sympathien gegenüber Spontibewegungen eigentlich eher gering sind.
Was für Deutschland gilt, gilt auch für die USA. Es ist wahr: Noch immer halten viele Leute zu Donald Trump. Das ist nicht überraschend, das ist normal. Aber es trifft schlicht nicht zu, dass der Präsident – wie derzeit in vielen, auch in deutschen, Nachrichtensendungen verkündet wird – „gute Umfragewerte“ für sich verbuchen kann. Man möchte dringend „Fake News!“ rufen, wenn dieser Begriff nicht mittlerweile allzu sehr belastet wäre.
6.000 türkische Spione gibt es angeblich in Deutschland. Ist Mehmet Fatih S. einer von ihnen? Er soll den Mord an einem kurdischen Funktionär geplant haben. Was passiert ist, lesen Sie in der taz.am Wochenende vom 18./19. Februar. Außerdem: ein Gespräch mit Bestseller-Autor und Gerichtsmediziner Michael Tsokos über die Opfer vom Breitscheidplatz. Und: Die Geschichte eines Amuletts, das im Vernichtungslager Sobibór gefunden wurde. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Die Umfragewerte von Trump sind katastrophal. Gut sind sie nur bei einem Institut, das – zugegeben – vor der Wahl als einziges seinen Sieg vorhergesehen hat. Aber kann die Konsequenz daraus sein, dass alle anderen ignoriert werden? Deren Angestellte ja auch nicht einfach Idioten sind, sondern die vermutlich Lehren aus ihrer Blamage gezogen haben? Das erinnert doch sehr an das Verhalten eines Kaninchens vor der Schlange.
Noch ein Silberstreif. Fox News, ein republikanischer Propagandasender, geht vorsichtig – ganz, ganz vorsichtig – auf Distanz zum Präsidenten. In den Stunden, in denen andere US-Medien im Zusammenhang mit dem Rücktritt des Nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn titelten, dass Trump „alles“ gewusst habe, ließ Fox News sein Publikum wissen: „Pence wusste nichts.“ So sieht eine – professionelle – Vorbereitung auf die immerhin mögliche Amtsübernahme eines Vizepräsidenten aus. In diesem Fall: auf die von Mike Pence.
Und dann gibt es noch einen breiten, einen ganz breiten Silberstreif. Sehr viele Männer und Frauen, die ihr ganzes Leben in einer Demokratie gelebt haben, verstehen zum ersten Mal, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Sondern dass Freiheiten erkämpft werden müssen – und dass es sich lohnt, um sie zu kämpfen. Albernheiten wie „Ach, es macht ja keinen Unterschied, wen ich wähle. Ich wähle gar nicht“ – klingen nicht mehr souverän. Sondern nur noch blöd.
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