piwik no script img

Kolumne LustobjekteMein Bifi-Mezzo-Mix-Trauma

Meine Freunde sind total tolerant. Außer Menschen gegenüber, die nicht kochen. Wie mir.

F rüher wollte ich immer ein Schlüsselkind sein. Doch damals, als Bionade-Boheme noch nicht mal ein Schimpfwort war, kauften meine Eltern schon bei Hess Natur, Manufactum und Demeter. Mittags gab es Grünkernbratlinge, abends Brot mit Bergkäse. Alle paar Monate mal lag mittags ein Zettel auf dem Küchentisch: "Liebe Franzi, wir kommen erst heute Abend wieder. Im Gefrierfach ist Tiefkühlpizza. Kuss, Mama." Diese Tage fühlten sich an wie Milchschnitte, Bifi und Mezzo-Mix zusammen.

Irgendwann zog ich zu Hause aus und in eine WG. Und plötzlich, über Nacht, war Kochen total angesagt - nur ich war irgendwie auf Cheeseburger, Döner und Limo hängen geblieben. Durfte ich als Kind ja alles nicht, ich hatte also Nachholbedarf. Als alle um mich herum schon blanchierten, dünsteten und flambierten, stieg ich gerade von Kochbeutelreis auf Basmati um. Als ich endlich drei Rezepte auswendig konnte, fingen die anderen bereits an, Gerichte aus dem Kühlschrank heraus zu improvisieren.

Tim Mälzer hat mal gesagt, wenn er im Supermarkt mit einer Pizza an einer Kasse stehe, sei das so, als wenn andere mit einem Schmuddelheft am Bahnhofskiosk warten. Lieber Tim, mir geht es genauso. Fernsehkoch hin oder her - was das Kochen betrifft, befinde ich mich in der sozialen Schmuddelecke meines Freundeskreises. Die sonst allgegenwärtige linksliberale Gesinnung ist da schnell vergessen - wer nicht kocht, wird diskriminiert.

Bild: taz

FRANZISKA SEYBOLDT ist taz.de-Redakteurin.

Eine ehrliche Portion Nudeln mit Pesto? Ein absolutes No-go! Entweder muss das Pesto selbst hergestellt werden ("Um die Ecke gibt es ganz tolle Einmachgläser!"), oder es muss noch mindestens eine Extrazutat reingeschnippelt werden ("Wie, du hast keine Schalotten da?"). Das Wort, das dabei gern verwendet wird: verfeinern. Dabei haben das doch schon die Geschmacksexperten von Barilla gemacht, als sie die Soße entwickelt haben. Aber nein, meine Freunde sind ja so überaus individuell. Das Motto: Ich koche, also bin ich.

Mein Freund Hugo zum Beispiel beäugte neulich kritisch das dreckige Geschirr in der Spüle. "Aha!", rief er und zeigte anklagend mit dem Zeigefinger auf die Essensreste: "Tomatensoße, Tomatensoße, Tomatensoße. Und Salat, na immerhin." Am Kühlschrank ging die Razzia weiter. "Wein, Wodka, Prosecco und Ketchup. Hm …" Jetzt reichts aber, dachte ich und schob Hugo zur Tür hinaus. Im Vorbeigehen widmete er dem schrumpeligen Apfel in meinem Obstkorb noch einen letzten mitleidigen Blick.

Leider denken viele wie Hugo. Zum Geburtstag bekam ich zwei Kochbücher geschenkt. Und eine Freundin beendete die Liaison mit einem tollen Mann, nur weil der gern und oft Fast-Food-Produkte aß.

Ich beklagte mich bei meiner Freundin Martha über mein bedauernswertes Leben unter fanatischen Hobbyköchen. "Quatsch nicht rum", sagte sie, "dein Rührei an Ostern war göttlich!" Ach, dabei hatte ich das doch nur schnell improvisiert - Eier, Milch, Feta. Und das Ganze dann mit Kräutern der Provence verfeinert. Das ist ja nun wirklich keine große Sache.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz am wochenende
Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).

6 Kommentare

 / 
  • S
    ScreamQueen

    Ich sag nur: Privat-Uni. Sonst könnte man wohl mehr Lebensnähe erwarten.

  • RB
    Rainer Baumann

    Liebe Franziska, Du kannst ja essen, was Du willst, aber, glaube mir: Einen Mann wirst Du so nie gewinnen können auf Dauer. Das klingt zwar arg blöd, ist aber so.

    Und laß beim Rührei einfach den Feta weg. Dann könnte es was werden.

    Gruß

    Rainer

  • I
    ion

    Davon wollte die Welt immer schon wissen (, oder nicht?!):

    "Mein Bifi-Mezzo-Mix-Trauma".

    Wer erbarmt sich und schenkt Frau Seyboldt an Stelle von Kochbüchern endlich handfeste Anleitungen zu geeigneten Meditationspraktiken, damit sie endlich von der Obsession zu ihrem unsäglichen 'Zeitgeist'-Geplapper erlöst werden möge?

    Frau Seyboldt, bitte (z.B.) hier entlang:

    .

    Danke.

  • DN
    Darren Nash

    Du schreibst mir aus der Seele! Die Menschheit hat sich durch Jahrhunderte der lebensnotwendigen Haushaltsarbeiten gequält, um endlich in der bequem-arbeitsteiligen Gesellschaft wichtigeren Dingen nachgehen zu können, nur um einen Moment später wieder die Mützen selbst zu stricken, Gemüse auf dem Balkon anzubauen oder ... nun ja ... zu kochen!

     

    Die meisten meiner Freunde wollen g"enau wissen was sie essen" - bis auf dem letzten Konservierungsstoff. Wozu denn? U-Bahn fahren die ja auch ohne zu wissen wie der elektrische Schienenantrieb funktioniert. Und da hängt zur Abwechslung mal wirklich "deine Gesundheit dran". Selbst ganz normale Lebensmittelhersteller versuchen ihren Produkten mittlerweile möglichst wenige Zusatzstoffe beizumischen. Jetzt kann ich dem Zeug auf meinem Teller beim Schimmeln zuschauen.

     

    Fast Food ist ein Unding. Aber wozu Stunden lang einkaufen, kochen und sauber machen, wenn man sich seine Mahlzeit genauso gut beim Inder abholen kann? Oder die Tiefkühlpizza: Schmeckt doch lecker! Richtig frisch unideologisch. Als ich das letzte Mal mit meinen Freunden beim Bio-Italiener war habe ich mir die "Ristorante" mit Thunfisch (jahaha!) zurück auf den Teller gewünscht.

     

    Dass der gesunde Bio-Selfmade-Lifestyle ein Trend wohlsituierter Milieus ist, der den Graben zwischen der Bio-Bourgeosie und allen anderen jetzt sogar beim Gemüsehändler und in der Küche zieht, erkennen schon einige. Außer die "Linken", die sich dem Trend anschließen. Da zeigt sich auch: "Gesund und bewusst" ist weder links noch irgendwie "progressiv". Gemüse aus dem heimischen Garten mit Familie/Freunden nach altem Originalrezept kochen - das macht die CSU-Wählerschaft schon seit Jahrzehnten. Wer sich aber engagiert, protestiert und am öffentlichen Leben teilnimmt hat keine Zeit seine selbstgezüchteten Bohnen zu mijotieren. Es fiel mal der Begriff "Bionade Biedermeier". Letzere waren ja schon immer für's Kochen und Wandern.

  • F
    flujo

    oh Mann, für wen schreibt denn die Dame? Neon Sonderausgabe: seichte Sondierung des Alltags und dessen Konsequenzen bzw. journalistische Inkontinenzen?

    solche schlicht-seichten Artikelchen von Wohlstandskinderchen, ihren Problemchen und - na nennens wir mal Reflexiönchen sind echt bit- und bytes Verschwendung. Na wenigstens musste dafür kein Baum dran glauben.

    gähn

  • I
    ion

    Davon wollte die Welt immer schon wissen (, oder nicht?!):

    "Mein Bifi-Mezzo-Mix-Trauma".

    Wer erbarmt sich und schenkt Frau Seyboldt an Stelle von Kochbüchern endlich handfeste Anleitungen zu geeigneten Meditationspraktiken, damit sie endlich von der Obsession zu ihrem unsäglichen 'Zeitgeist'-Geplapper erlöst werden möge?

    Frau Seyboldt, bitte (z.B.) hier entlang:

    .

    Danke.