Kolumne Liebeserklärung: Norwegens tolles Gesetz
Die Norweger nerven mit ihrem Ölreichtum. Auf das Recht auf Schwangerschaftsabbruch aber können sie wirklich stolz sein.
L iebe Deutsche, es gibt in eurem Land viele Dinge, die für Ausländer schwer zu verstehen sind. Der Dativ. Die Liebe zum Spargel. Und dieser Begriff „Werbung für Schwangerschaftsabbruch“. Schon die vielen Buchstaben! Was dieser Begriff bedeuten soll, ist für mich ein bisschen schwer zu begreifen. Wie sieht eine Werbung für Abtreibung aus? Wäre das etwa ein Plakat mit einer lächelnden Frau und dem Text „Machen Sie es auch!“? Könnte es ein Angebot der Art „Zahle zwei, bekomme drei“ sein?
Ich habe das Gefühl, ich sollte das wissen. Weil ich aus einem Land ohne dieses Werbeverbot komme. Aber ich habe noch nie eine Abtreibungswerbung in Norwegen gesehen. Vielleicht sind die Gewerbetreibenden unaufmerksam für die Möglichkeiten dieses Markts. Obwohl diese Firmen viel Zeit dafür gehabt hätten.
Seit 40 Jahren dürfen norwegische Frauen bis zur 12. Schwangerschaftswoche selbst entscheiden, ob sie einen Abbruch wünschen. Sie brauchen keinen Beratungsschein, es gibt keine obligatorische Bedenkzeit. Die Frau geht direkt in die Klinik, um den Eingriff machen zu lassen, wenn sie das für richtig hält. Nicht weil eine solche Entscheidung notwendigerweise leicht wäre. Sondern weil wir denken, dass Frauen kompetent sind, dieses Entscheidung selbst zu treffen.
Lasst uns gemeinsam feiern!
Die Autorin arbeitet bei der norwegi-
schen Zeitung Klassekampen. Sie ist
derzeit Gastjournalistin bei der taz.
Ende Mai wird das norwegische Gesetz über Schwangerschaftsabbruch 40 Jahre alt. Es ist das Resultat eines 60-jährigen Kampfes der Frauenbewegung. Und ja, ich weiß, es ist langweilig, wenn diese Norweger ins Ausland fahren und unwilligen Zuhörern erzählen, dass man dies und jenes in Norwegen so gut macht, und fragen, warum nicht andere Länder das Gleiche tun.
Die einfachen Antworten sind normalerweise entweder a) nicht alle Länder haben unglaublich viel Öl oder b) die meisten Länder haben mehr als fünf Millionen Einwohner.
Aber: Lasst uns nur für dieses eine Mal zusammenkommen, um gemeinsam zu feiern. Zufälligerweise ist nächste Woche, am 17. Mai, nämlich auch noch unser Nationalfeiertag! Wenn ihr wollt, nehmt einfach eine norwegische Flagge mit. Dann denken alle, ihr feiert das besserwisserische Norwegen. Aber in Wirklichkeit feiern wir ein ganz tolles Gesetz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?