Kolumne Liebeserklärung: Timo Boll lässt jucken
Weltcupgewinner, wiederholter Weltranglistenerster und Fahnenträger des deutschen Olympiateams: Boll spielt so gut wie nie zuvor.
I ch war gerade mit der Tischtennis-Jugendmannschaft des TSV Trostberg zum dritten Mal in Folge aufgestiegen, als ich zum ersten Mal von Timo Boll hörte. Das war vor fast 20 Jahren. Ich spielte in der Bayernliga. Boll – zwei Jahre älter als ich – hatte da schon sein erstes Länderspiel für die Erwachsenen bestritten.
Danach hat Boll so ziemlich alles erreicht, was man an der grünen Platte erreichen kann. Boll war Weltranglistenerster, hat sechsmal die Europameisterschaft, zweimal den Weltcup gewonnen – hat bei Olympia Silber und Bronze geholt.
Ich hab nach dem Abi mit dem Sport aufgehört. Ich konnte mich nicht an den größeren Ball (40 statt 38 Millimeter) gewöhnen, den der ITTF-Kongress (die Fifa des Tischtennis!) im Jahr 2000 eingeführt hat. Vielleicht ärgerte mich mehr, dass es ums Geld ging: Die kleinen Bälle, so der Grund, sehe man nicht im Fernsehen.
Heute beeindrucke ich ab und zu noch Freunde an einer der dutzenden grässlichen Steinplatten, die in Berlin an jeder Ecke stehen. Während Timo Boll – mit nun 35 Jahren – in Rio seine besten Spiele ever zeigt. Am Mittwoch hat er fast im Alleingang die Bronzemedaille für die deutsche Mannschaft geholt.
Erst bezwangen Boll und sein ebenfalls 35-jähriger Doppelkollege Basti Steger das südkoreanische Team in einem Fünfsatz-Krimi – und dann schlug er den weltbesten Abwehrspieler Joo Se-hyuk glatt in drei Sätzen – trotz Schmerzen im Hals-Nacken-Bereich. Timo Boll, der in Rio de Janeiro bei der Eröffnungsfeier schon Fahnenträger des deutschen Teams war, könnte seine Karriere jetzt getrost beenden. Mich juckt es, dank dir, Timo, wieder in den Fingern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Autounfälle
Das Tötungsprivileg