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Kolumne LiebeserklärungDie Blockflöte

Kolumne
von Barbara Bollwahn

Die Jugend von heute, sie will das Blockflötenspiel nicht mehr erlernen. Dabei lehrt das Instrument junge Menschen weit mehr als bloße Atemtechnik.

„Vom Himmel hoch...“ Weihnachtszeit ist Blockflötenzeit. Doch immer weniger Kinder wollen das Instrument erlernen. Bild: dpa

M itten in die besinnliche Weihnachtszeit platzt die Nachricht herein, dass immer weniger Jungen und Mädchen Blockflöte lernen. Gab es 1995 noch etwa 100.000 Blockflötenschüler und Blockflötenschülerinnen unter 18 Jahren, sind es jetzt nur noch halb so viele. Das ist sehr bedauerlich. Denn wer Blockflöte spielt, lernt viel fürs Leben. Ich weiß das, denn ich habe schon im Kindergartenalter damit angefangen.

Ich habe gelernt, gute Mine zu bösem Spiel zu machen. Zusammen mit meinen zwei Schwestern nahm ich regelmäßig am „Wettbewerb der Jungen Talente“ teil, den es in der DDR gab. Wer Blockflöte spielt, auch diese Erfahrung habe ich gemacht, bekommt eine Vorstellung von Gottesfürchtigkeit. Unsere Flötenlehrerin war Kantorin und so sollten wir einmal zu Weihnachten einen Kanon für den lieben Gott spielen. Die Dorfkirche war bis auf den letzten Platz besetzt und angesichts der vielen bekannten Gesichter und Mutti und Papi in der ersten Reihe bekamen wir kaum einen Ton heraus. Der liebe Gott wird sich etwas dabei gedacht haben.

Die Blockflöte hat mich außerdem gelehrt, Dinge hinzunehmen, die nicht zu ändern sind. Jedes Jahr zu Weihnachten mussten sich meine Schwestern und ich zu Hause vor dem Tannenbaum zum musizieren aufstellen. Als wäre das nicht schlimm genug, fotografierte uns unser Vater dabei. So entstanden Jahr für Jahr die immer gleichen Bilder von Kindern mit Flöten im Gesicht, deren Mundwinkel so weit nach unten hingen wie die von Angela Merkel ohne Flöte.

Die Flötenbranche sieht mehrere Gründe für den Rückgang des Instruments. In den 1970er Jahren, der Zeit, in der auch ich an die Blockflöte herangeführt wurde, waren Geigen und Gitarren für viele unerschwinglich. Diese Zeiten sind heute vorbei. Dennoch sei die Flöte für Anfänger „unübertroffen gut“, lässt die Branche verlauten. Weil man den Atem kontrollieren muss und Fingerfertigkeit lernt.

Ich wünsche mir zu Weihnachten, dass möglichst bald möglichst viele junge Menschen wieder Blockflöte lernen. Dazu müssen sie aber erst einmal lernen, dass eine Blockflöte ein Musikinstrument ist. Denn im Geschichtsunterricht wird derweil mitunter gelehrt, dass Blockflöten Mitglieder von Blockparteien in der DDR waren, die die Parolen der SED nachgeflötet haben.

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2 Kommentare

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  • R
    Ridicule

    en passant

     

    Ja wie ? - nur Ein Kommentar - von sonem

    Bedenkenträger!?

     

    un wo sin all die andern - Flöten?

    ja wat sin dat denn für Pfeifen?

    all mal ummen Block - oder was;-

  • E
    emil

    ich weiß ja nicht was die ddr damit zu tun hat, aber die zeit der minen ist jedenfalls vorbei.