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Kolumne KriegsreporterinWieder mehr Witz mit Westerwelle

Die Briten reißen dank Westerwelle wieder Deutschenwitze – und bei Gruner & Jahr kloppen sich alle um die Zusammenarbeit mit Ikea.

Tut sogar den Engländern leid, dass wir wieder eine Witzfigur in die Welt schicken müssen. Bild: dpa

Hello, taz-Medienredaktion!

Heute melde ich mich aus einem der Länder, in dem man auf Pressekonferenzen Englisch spricht. Dass man das in Deutschland nicht tut, ist auch hier in Großbritannien angekommen und hat gleich ein interessantes Licht auf den Mann geworfen, der gern Minister im Außen werden möchte. Hatte man seit dem politischen Ableben von Kanzler Kohl stets neutrale, freundliche Reaktionen beim Besuch des Königreichs erhalten, fliegen einem jetzt wieder Deutschenwitze um den Helm. Immerhin aber mit Mitleid im Blick. Das tut sogar den Engländern leid, dass wir wieder eine Witzfigur in die Welt schicken müssen.

Apropos Witz: Vor ein paar Wochen hatte die Freien Organisation Freischreiber eine Geldsammelaktion ins Leben gerufen, um Gruner & Jahr in Zeiten, in denen der Verlag es immerhin erwägt, seine Mitarbeiter um Kredit zu bitten, finanziell zu unterstützen. Nun aber zeigt sich, woran es am Baumwall vor allem mangelt: an Witz. Täglich wird die Ration knapper. Immer weniger hat dort irgendjemand irgendwas zu lachen. Auch der Keller ist fast leergelacht. Vergangene Woche erstickte Bernd Buchholz eines der letzten Giggeln mit der Ankündigung, wohl weitere Leute rauswerfen zu müssen. Und nun ist auch noch der Bertelsmann-Patron Reinhard Mohn, der Godfather of Buchclub, tot. Und das, wo die Journalisten so schön dabei sind, die Stimmung auch ohne Hilfe ins Bodenlose zu treiben.

Die Brigitte, die alte Dame der Diätmodels, hat ein "Special Interest"-Heft herausgegeben, eine Lobhudelei auf Ikea. In Zusammenarbeit mit Ikea, wie - immerhin - schon auf dem Cover zu erkennen ist. Das Heftchen liegt, angeblich ohne Vorabinformation der Redaktionen, auch dem Stern, Schöner Wohnen und Geo bei. Und deren Kollegen schreien jetzt auf. Beklagen die Verknüpfung von Redaktion und Werbung. Als wären die eigenen merkwürdigen Ergüsse, in denen Hersteller, Materialien oder Destinationen mit "redaktionellen Inhalten" aufs Überraschendste vermischt werden, nicht schon so manchen Aufschrei wert gewesen. Aber wahrscheinlich geht es nicht so sehr um die Verquickung von Inhalt und PR als vielmehr darum, dass die Brigitte das viele Ikea-Geld einsackt, Stern & Co. es aber sind, die das Lobgehudel verteilen müssen. Ohne dass ihr Name darüber steht.

Und wie gern hätte man selbst die Inhalte - in absoluter redaktioneller Unabhängigkeit, versteht sich - gestaltet. Geo etwa: "30 Jahre Billy-Regal - Joseph von Westphalen über das Leben eines Holzwurms". Oder Schöner Wohnen: "Ein Regal - 30-mal steht was anderes drin." Statt sich zu ärgern, sollten die Gruner & Jahrler lieber den Spaß sehen, den ihnen die Brigitte-Redaktion beschert: "Zu einem unschlagbaren Preis entrümpelte Billy unsere Wohnungen", heißt es im Editorial. Da hat die Redaktion für ein sicherlich hammerhartes Geld den PR-Auftrag an Land gezogen in der Annahme, es solle über einen gewissen "Billy" schreiben. Das Regal, das selbsttätig entrümpelt, war vor 30 Jahren nämlich noch gar nicht erfunden. Das gibt es erst seit 1996.

Aber etwas Erhellendes hat die Woche auch gebracht. "Meine journalistischen Vorbilder haben auf der Werft gearbeitet oder Werkzeugmacher gelernt, teils keinen Studienabschluss gemacht", hat Claus Kleber gesagt und mir gezeigt, wie richtig ich in diesem Beruf bin: Abitur mit 26. Zuckerwatte und verdorbene Nudeln verkauft, im Hafen Konservendosen sortiert und bei Karstadt die Regale aufgefüllt. Mit dem super Gefühl, noch beim heute journal landen zu können, ein dickes Bye-bye! nach Berlin!

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27 Kommentare

 / 
  • O
    ole

    @vic:

    Was sind denn nun wieder "Bratwurst-Kommentare"?

     

    Ich stelle mir gerade mal ne alten(vom Alter her) "Die LINKE" -Abgeordneten vor...

    Добрый день. Меня зовут Лотар. Я 68 лет. А теперь? Пожалуйста, говорите по-немецки.

     

    Das wars dann aber auch schon. Englisch oft Fehlanzeige.

  • V
    vic

    Auch hier wieder die Bratwurst Kommentare:

    "In Deutschland wir nunmal deutsch geredet" Übel.

    Wir können drüber reden wenn alle deutschen Journalisten und natürlich die Freiheitsstatue höchstselbst alle Sprachen der Länder spricht, die er künftig besucht.

    I hope he has a little bit lucky.

  • IN
    Ihr Name Jens Pänz

    Guter Artikel, ich mag den Stil!

  • OX
    Ole X

    Mal von der schlechten Recherche zum Thema Billy abgesehen, diese Regale haben mich schon durch die Kindheit begleitet...

    Was soll mir bitte diese Kolumne sagen?

    Der Weg von "Westerwave" zu Billy ist mir nicht einleuchtend. Was soll das?

  • H
    HRolf

    Die US-Handelsehörde geht voran: ihre überarbeiteten Leitlinien sehen vor, dass nicht nur Blogger sonder auch "anständige" Journalisten offenlegen, ob sie Geld oder Geschenke vom Hersteller angenommen haben.

     

    Ihr Artikel entlarvt unsere "neutralen" Journalisten aufs Neue und sagt uns, wieviel Korruption auch in den deutschen Medien herrscht. Diese scheinbar unabhängigen Medien nehmen Aussagen von Leuten wie Raffelbüschen, der INSM (ex-grüner Metzger), und viele weitere verdeckte Interessengruppen ungeniert und ohne deutliche Nennung der Quellen in die Schlagzeilen, dass es einem übel wird.

     

    Wenn sich hier nichts ändert, verkommen viele Zeitungen und Illustrierte zu reinen Werbeklitschen. Oder zu rein parteipolitisch gemieteten Beifallsklatscher. Fare-well Pressefreiheit! Ein Buch "Deutschland deine Verleger und Journalisten - eine Claque?" wird überfällig.

  • D
    Deiling

    Billy-Regale gibt es schon seit Ende der siebziger Jahre. Sie begleiten mich schon ein Leben lang, leider haben sie nie meine Unordnung selbsttätig entrümpelt. Nur in den Neunzigern waren sie eine Zeitlang nicht im Ikea-Sortiment.

  • V
    vic

    Schön geschrieben Frau Burmester.

    Aber es ist mir trotzdem furchtbar peinlich, diesen unfreundlichen Menschen, der keine Ahnung von fundamentalen Umgangsformen hat, in die Welt zu senden.

    Ich hoffe, die Freiheitsstatue fällt sich bald selbst.

  • A
    AberHallo!!

    Auf den Punkt getroffen: "Das tut sogar den Engländern leid, dass wir wieder (!!) eine Witzfigur in die Welt schicken müssen."

     

    Das ist natürlich absolut korrekt. Die ultimativ größte Witzfigur im A-Amt stellt allerdings noch immer, und wohl auch für alle Zeiten, der damalige Abgesandte der Grünen, der ungelernte Steinewerfer Jockel Goldfasan Fischer, dar. Ja!!

  • A
    AberHallo!!

    Auf den Punkt getroffen: "Das tut sogar den Engländern leid, dass wir wieder (!!) eine Witzfigur in die Welt schicken müssen."

     

    Das ist natürlich absolut korrekt. Die ultimativ größte Witzfigur im A-Amt stellt allerdings noch immer, und wohl auch für alle Zeiten, der damalige Abgesandte der Grünen, der ungelernte Steinewerfer Jockel Goldfasan Fischer, dar. Ja!!

  • G
    Gloria

    Nun hat dieser in Englisch fragende Journalist uns Guido gleich vorgeführt und der hat wahrlich nicht souverän reagiert, sondern spießbürgerlich und kleinlich. Wie ein Kind, das dabei ertappt wird,was nicht zu können.

     

    Wenn er denn als Außenminister nach Great Britain reisen sollte...dann möge er sich warm anziehen und ein wenig English können und müssen!

    Aber ich mag den Englischen Humor!

  • PL
    prinz lilifee

    jup, danke! very amusing & smart...

  • M
    macmarine

    Das Billy-Regal gibt es nicht erst seit 1996 – in meinem Arbeitszimmer stehen seit 1986 4 Billies und als ich die damals gekauft habe, waren die schon seit einigen Jahre im IKEA-Angebot (ich schätze mal seit etwa 1982).

     

    ...........................

     

    Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist das selbstentrümpelnde Billy-Regal, das tatsächlich erst seit 1996 existiert und nicht das Billy-Regal an sich, welches es seit 1979 gibt.

  • M
    Makeze

    Jetzt mal im Ernst. Auch wenn wir hier WW alle nicht so mögen. Was hier behauptet wird ist einfach nicht richtig. In GB hat sein "...Deutschland hier."-Kommentar keine großen Wellen geschlagen. Weder auf der Internetseite von BBC-News, Daily Telegraph oder gar der "bildigen" SUN (und die haben bisher noch jede Gelegenheit genutzt sich über ihre Nachbarn aufzuregen) findet man irgendeine Referenz zu der Pressekonferenz in Frage. Lediglich in der Times hat es wohl einen Kommentar dazu gegeben, wobei auf deren Seite sich alle Leute auf die "deutsche" Seite stellen. Und der Guardian stellt sich in seinem Blog sogar ganz gegen Herrn James Coomarasamy und findet es ganz richtig dass man in Deutschland deutsch spricht.

    Das ganze ist sogar ganz lustig eigentlich. Beide Seiten schämen sich für ihren Repräsentanten in dieser Situation, und finden dass ihre Seite unhöflich war. Die Kommentare in beiden Ländern hätten sich dem anderen Land gerne von einer viel besseren Seite gezeigt. Vielleicht haben wir uns in Wahrheit doch viel lieber, als es uns Bild/SUN weißmachen wollen...

  • P
    Peter

    Die Deutschenwitze oder Westerwelle-Witze,

    die einem jetzt in England angeblich um die Ohren fliegen -

    davon hätte ich gern eine Kostprobe gehabt.

     

    So bleibt Frau Burmesters Behauptung allenfalls

    - eine Behauptung.

  • B
    BillyBoy

    Schon im zarten Alter von 14 Jahren hätte Frau Burmester sich am Billy Regal festhalten können...

    16 Jahre später (1996) gab es Billy immer noch!

    Allerdings ohne Formaldehyd.

    Brigitte und Stern gibts auch noch; auch ohne nennenswerten Inhalt.

     

    PS:

    http://www.ikea-download.de/09_09-billy/seite19.php

  • E
    erda

    was hat westerwelle mit dem rest zu tuhen?? was soll der ganze artikel überhaupt??

     

    unnötiger ist wahrscheinlich nur die eigentliche lobhudelei auf ikea selbst.

     

    sehr schwach wie ich finde

  • G
    grafinger

    Mit der "Witzfigur" ist sicher Frau Burmester gemeint? Immerhin erntet sie ja auch die mitleidigen Blicke. (SCNR)

  • G
    Gerry

    Die Engländer sollten sich lieber um ihr eigenes Land kümmern.

    Schließlich ist englisch heute nur Weltsprache, weil die Engländer sich immer geweigert haben, die Sprache anderer Länder zu sprechen, die sie gerade mal versklavt und ausgesogen haben.

     

    Laß sie lachen über die Deutschen. Ihr Neid hat uns zwei Weltkriege gebracht und sie haben es verdient, Ihr Weltreich verloren zu haben.

     

    Rule Britannia?

    Daß ich nicht lache!

  • DG
    Dirk Gober

    Oh, wie ärmlich müssen die Argumente gegen Westerwelle wohl sein, wenn man auf seinen mangelhaften Englisch-Kenntnissen herumreitet.

    Super, so nimmt man einen politischen Gegner effektiv auseinander - zumindest in jenen Kreisen, die in der Klipp-Schule gescheitert sind.

     

    Was folgt noch aus der Fraktion der Maximaltoleranten? Schwulenwitze? Vielleicht entdeckt man bei ihm gar noch eine Behinderung?

     

    Gratulation zu so viel Geist, Linke. Da wundert Euer nun 150 Jahre andauerndes Dauerscheitern wirklich nicht. Loser.

  • RR
    Rudi Ratvoll

    „Tulip Award “

     

    Kompensationsgeschäft vom Feinsten!

     

    Regelmässig erhält Gütersloh hölzerne Tulpen von IKEA.

    Warum Tulpen? Ach ja, die IKEA-Stiftung, welche den IKEA-Konzern kontrolliert sitzt schliesslich in Holland.

    Warum Tulpen nach Gütersloh?

    Dort sitzten Mohn Media und Arvato (beide Bertelsmann AG) drucken die IKEA-Kataloge und alles drumm herum...

    Im Hause Bertelsmann werden die IKEA-Kataloge produziert und über die eigenen Medien verteilt und redaktionell begeleitet.

    Was willst Du da machen? - Wir leben eben in Offenbarungszeiten.

  • K
    kughiss

    Ach ja, was für eine Witzfigur ist man doch, wenn man im Deutschland des Jahres 2009 deutsch spricht. Unglaublich.

  • S
    Scott

    Ja furchtbar, find ich auch, dieser Artikel. Und so wichtig. Machen also wieder Deutschenwitze, die Briten. Wegen Westerwelle. Hier noch ein Deutschenwitz, auf deutsch. Kommt ein Deutscher in London in eine Pressekonferenz und fragt, ob er eine Frage auf deutsch stellen kann.

    An WW und seiner FDP kann man 1000 Dinge scheiße finden. Aber Deutschenwitze wegen eines nicht englisch sprechen wollenden Außenministers in Spe. Lohnt es sich wirklich, deswegen auf 50 tausend TAZen weißes Papier mit Druckerfarbe zu bedrucken? Dass ich nicht lache!

  • R
    roland

    Ja, ein super Artikel. Ich habe mein GEO-Abo gekündigt, weil auf dem Titelbild des Hefts 9/09 Merkel abgebildet war: Schleichwerbung vor der Wahl. Sollen sie doch gleich sagen, wie viel sie von der CDU dafür bekamen!

  • B
    Brutkasten

    Ist aber auch ärgerlich für die Journalisten...ein fetter IKEA-Werbeauftrag an der Gruner+Jahr-Angel aus dem Hause Bertelsmann bedeutet sicherlich nun Maulkorb für eine zukünftige kritische Berichterstattung über die Stiftung-IKEA. -

     

    by the way. Welches Verlagshaus druckt eigentlich

    die IKEA-Kataloge?

  • SK
    Steffen Klimmeck

    ein furchtbar gelungener Artikel - wie ich finde.

  • S
    Schroedingers

    Sollten die Briten tatsaechlich so arrogant sein, zu glauben, alle Welt spricht in aller Welt ihre Sprache, so ist das deren Problem. Sie werden da bei den Franzosen genug zum Witzereissen finden muessen.

     

     

    Fuer mich die Posse ist, dass so was ueberhaupt in taz erwaehnt werden muss anstatt es mit einem laessigen "so what?" abzutun.

  • S
    Saby

    Naaa - Recherche mangelhaft. "Gillis Lundgren hat BILLY vor 30 Jahren entworfen" heißt es auf Seite 13 des aktuellen IKEA-Katalogs. Mag sein, dass es damals nicht gleich in die Produktion ging. Aber wir selbst haben unsere ersten Billy-Regale immerhin 1983 gekauft (damals noch mit Eichen-Furnier). Geändert haben sich seither die Maße, Materialarten, Furniere und Farben; trotzdem, BILLY gab es eindeutig lange vor 1996!