Kolumne Kriegsreporterin: Burn-out in der sexy Medienwelt
Wer steht auf Hubert Burda, Mathias Döpfner, Heinrich Bauer, also diese Adonisse im Buchstabenanzug? Ich nicht. Und deshalb räkel ich mich weniger in der sexy Medienbranche.
O h, mein Gott! Medienredaktion!
Wenn ihr sehen könntet, was ich sehe, ihr würdet euch auch auf der Sitzfläche räkeln. Euren Unterleib in die eine oder andere Richtung drücken in wildem Begehr, ihn irgendwo gegenpressen zu können. Ihr würdet an eurem Kampfanzug ziehen und reißen, bis nur noch der Helm sicher sitzt, denn - und jetzt kommt die Auflösung - Medienunternehmen sind sexy! Generell. Sie haben nur gerade eine schlappe Phase, weswegen das landesweite Herumgeschubbere ein wenig abgenommen hat.
Aber Hartmut Ostrowski, Bertelsmann-Oberer, zeigt sich in einem ausnahmsweise mal lesenswerten Interview der Welt am Sonntag zuversichtlich: "Medienunternehmen werden wieder sexy sein". Entsprechend der alten Friedemann-Schulz-von-Thun-These "Alles steckt in jedem" frage ich mich, ob Ostrowski hier was verwechselt hat und vielleicht "Medienunternehmer" meint. Hubert Burda, Mathias Döpfner, Heinrich Bauer, diese hammerscharfen Medienmacher, diese Adonisse im Buchstabenanzug - steht der vielleicht auf die? Also ich nicht und stelle sofort das Geräkel ein.
Aber nur, um gleich wieder loszulegen. Denn, ja, es gibt auch etwas, das mich wirklich heiß macht: Miriam Meckel, Medienallerlei und Partnerin von Anne Will, bringt ein Buch über ihr Burn-out heraus. Burn-out, die Schwindsucht der Gegenwart, nicht ganz so cool wie Depressionen, aber auch ganz schön angesagt - man kann nur froh sein, wenn man das so rechtzeitig hat, dass sich medial noch was reißen lässt. Und ich, alte Lesbe, freu mich schon auf das, was mir die Gala nicht bieten konnte: "Und dann kochte Anne einen Tee für mich. ,Seelenkraft' mit Apfel drin." Oder "Auch nach ein paar Schritten im Park, in denen ich meine Loafers fest in das weiche Gras gedrückt hatte, wie die Therapeutin es mir geraten hatte, fühlte ich mich noch immer leer und ausgebrannt. Ich brauchte dringend ein Steak."
Man muss nicht meinen, dass bei so einem ranzigen Thema wie "Nichts geht mehr" irgendeine Professorin bei "3nach9" landen könnte. Frau Meckel kann, und auch ist "sehr viel in Planung", wie es bei Rowohlt heißt, ohne Genaueres verraten zu wollen. Immerhin ist Burn-out, anders als Depression, eine Krankheit, für die Alphatiere sich nicht zu schämen brauchen, denn nach überstandenem Ausbrennen kann man seine Siegerqualitäten durch erneuten Einsatz doch gleich wieder unter Beweis stellen.
In den Kanon "Gefühle zulassen" reiht sich eine andere Führungsfrau ein, Bettina Schausten, Zahlentante beim ZDF. Sie wird Leiterin des Hauptstadtstudios und sagt: "Chef sein macht auch einsam." Oooooooohhhh!
Wir kommen noch einmal zum Anfang zurück, dahin, wie Medienunternehmen sexy werden. Die Vorhut der Sexoffensive bildet nämlich ausgerechnet der Viagra-Sender ZDF. NEIN, LIEBE DAUERLESER, ICH HABE KEINE ZDF-BASHING-WOCHEN, DIE BIETEN NUR AKTUELL DAS BESTE MATERIAL. Das ZDF setzt, um der Einsamkeit zu entfliehen, auf Kontakt: "Claus Kleber möchte deine Meinung wissen: Was bringt der Gipfel fürs Klima?", fragt der Sender auf seiner Homepage und fordert seine im Durchschnitt 61 Jahre alten Zuschauer auf, Videos im ZDF-YouTube-Kanal hochzuladen "Oder kommentiert die Ergebnisse des Klimagipfels auf unserem Facebook-Profil". Und damit das Ganze für Opi Tatta auch zu irgendetwas nutze ist, lockt der Sender mit dem ultimativen Egokick: "Die besten Statements können es ins ZDF-,heute journal' schaffen!"
Bei so viel zukunftsweisender Sexyness wird mir so heiß, ich gebe lieber schnell zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!