Kolumne Kriegsreporterin: Ein letzter Schulterblick auf 2009
Bei Burda und Bauer, Bild, WAZ und Süddeutscher Verlag wurde abgefunden, freigestellt und in den Vorruhestand geschickt. Das Wort rausgeschmissen wurde dabei gemieden.
L iebe taz-Medienredaktion,
ich begrüße euch zu einem letzten Schulterblick auf das Bombenjahr 2009. Es war – aus kreativer Sicht – vor allem ein schöpferisches Jahr. Viele tolle, überraschende Worte wurden in Umlauf gebracht, um hunderten von Medienleuten mehr Freizeit zu gönnen. Sie wurden "freigestellt" und "abgefunden", "in Altersteilzeit entlassen", in den "Vorruhestand geschickt", ihre Verträge "aufgehoben". Bitte, bitte kommen Sie nicht auf die Idee, dass hier irgend ein Mensch ENTLASSEN wurde, wenn Sie hören, dass beim Süddeutschen Verlag 100 Personen gehen mussten, bei Gruner + Jahr (seit Oktober 2008) 356, bei Burda in München 52. Die Bauer Group hat 150 bis 200 Leute allein in Hamburg rausgeschmissen und die WAZ landesweit 287.
Mehr Zahlen hab ich leider nicht parat, weil ich dumme Nuss erst im letzten Moment mit der Recherche begonnen habe und die Betriebsräte, die sich angestrengt haben, den Kollateralschaden gering zu halten, zur Erholung zwischen den Feiertagen zu Hause geblieben sind. Dazu kommt, dass auch sie nicht immer genauestens informiert sind, weil etwa der Bauer Verlag in so viele Minifirmen zerhackt wurde, dass es kaum möglich ist, die Übersicht zu behalten. Oder, wie es bei Gruner heißt, "das sind die, von denen wir wissen".
Immerhin aber, so viel weiß dann sogar ein Betriebsrat, können nächstes Jahr 48 Vertriebsleute bei Burda und 380 ungewaschene Drucker von Bauer Druck Köln ihrem Leben eine neue Richtung geben. Man muss das als Chance begreifen. Nur aus der Zerstörung heraus kann Neues entstehen. So freut es mich, an dieser Stelle aus einem Brief zitieren zu können, den Bodo Hombach und Christian Nienhaus, Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, ihren Angestellten geschickt haben: "Es ist uns zum Beispiel gelungen, … fast 300 Stellen abzubauen, ohne eine einzige betriebsbedingte Kündigung aussprechen zu müssen. Die Geschäftsführung ist sich ihrer unternehmerischen und sozialen Verantwortung bewusst - darauf können Sie sich auch weiterhin verlassen." Das finde ich toll. Und ich bin glücklich, dass auch Julia Jäkel, Verlagsgeschäftsführerin "Exclusive" bei Gruner + Jahr, so denkt. Sie hat das Zitat 2009 geliefert. Zur Auflösung ganzer Teilbereiche in der Living-Gruppe sagte sie im November: "Zwei Kollegen aus dem Atelier werden demnächst helfen, wenn irgendwo ein Bild von der Wand fällt." Na, das nenne ich unternehmerische Verantwortung!
Und während nun die entlassenen Schlussredakteure in der Küche die Buchstabensuppe umrühren, Bildredakteure Bernd Buchholz Fotoalbum auf Vordermann bringen, hat man bei der Zeit irgendwie besser gewirtschaftet. Dort wurde nicht nur keiner, umhüllt von euphemistischem Sprachmurks, vor die Tür gesetzt, nein, jeder der 424 Angestellten bekam dieser Tage 1000 Euro überwiesen. Einfach so. Als Gute-Laune-Macher. Natürlich hätte man davon auch die eine oder andere Stelle schaffen können, aber geschenkt und dir, liebe Zeit, eine Tüte Respekt!
Meine Ich-beantworte-eure-dämliche-Internet-Umfrage-Uhr habe ich, liebe, reiche Zeit, übrigens immer noch nicht erhalten. Aber ich verzichte gern, wenn ich dadurch einen eurer privilegierten Arbeitsplätze auch nur 10 Minuten länger erhalten kann. Also nie wieder ein Wort über die Uhr. Versprochen.
Oh, liebe taz-Medienredaktion, ich hab komplett die Zeit vergessen! Ja, ich weiß, ich bin zu spät. Nein, bitte nicht wieder 3,99 Euro abziehen, dann bleiben doch nur 21,80 Euro für diesen Text. Was, ihr wollt nicht diskutieren? Okay, ihr Arschkrampen, ich zünde die Rakete und geb zurück nach Berlin!
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