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Kolumne KriegsreporterinDie sollen unser Land verteidigen

Kolumne
von Silke Burmester

Warum werden Jahresrückblicke nur von Männern moderiert? Glaubt man, dass Frauen bei Bildern von Vulkanausbrüchen, Tierbabys und zerfetzten Soldaten heulen?

H allo, taz-medienredaktion!

Ich melde mich heute abermals von einem der zahlreichen Weihnachtsmärkte, die trotz aller vollmundigen Versprechen seitens des ZDF noch nicht in die Luft geflogen sind. Vielleicht ist es die Erleichterung über das unerwartete Überleben, darüber, dass noch alle Finger dran sind, vielleicht liegt es am Glühwein, dass ich milde werde und mich den Worten eines FDP-Politikers anschließen möchte: "Der teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunk der Welt sollte zugunsten der Programmqualität auf Werbung ganz verzichten."

Burkhardt Müller-Sönksen hat das gesagt, und ich möchte seinen Gedanken durch einen eigenen ergänzen, um die Welt tatsächlich zu einem besseren Ort zu machen: "Die quälendste, überflüssigste und hilfloseste Partei Deutschlands sollte zugunsten der Bevölkerung auf ihre Existenz verzichten."

Bild: häberle

Silke Burmester berichtet für die taz von der Medienfront.

Ganz unfreiwillig wurde Christoph Schlingensief dieser Tage seiner Existenz beraubt. Zwei Jahresrückblicke, die sich mit dem Ableben von Kulturschaffenden 2010 befassen, der des SZ-Magazins und der von "Aspekte", schaffen es, Schlingensief nicht zu erwähnen. Eigenartig, eigenartig, denkt man und möchte die Redaktionen sogleich zu einer Zwangsspende für sein Operndorf in Afrika verdonnern: www.operndorf-afrika.com.

Überhaupt geben Jahresrückblicke das Rätsel auf, warum sie immer nur von Männern moderiert werden. Glaubt man, dass es Frauen bei den Bildern von Vulkanausbrüchen, Tierbabys, zerfetzten Soldaten oder dem Versagen der Fußballnationalelf bei der WM die Tränen in die Augen treibt?

Apropos männliche Kompetenz - niemand Geringeres als Helmut Markwort, Darsteller des Tod im "Jedermann" und Erfinder des Freizeitmagazins Focus (Slogan: "icken, icken, icken") soll der Nachfolger von Erich Böhme bei "Talk im Turm" werden. Jener Gesprächssendung, die vor rund 12 Jahren eingestellt wurde. Für "Neues aus der Mottenkiste", wie der Arbeitstitel vielleicht lautet, gelang es dem 74-jährigen Markwort, den mit 67 Jahren deutlich juvenileren, aber auch insgesamt besser aussehenden, smarteren, besser gekleideten, schlankeren, vielleicht auch charmanteren, auf jeden Fall auch in jungen Jahren deutlich attraktiveren Hans Werner Kilz auszustechen.

Markwort, der durch die Dreharbeiten für die legendären Focus-Werbespots viel Erfahrung vor der Kamera sammeln konnte, konnte wohl durch Souveränität überzeugen. Oder waren es seine Beziehungen? Wahrscheinlich kann er einfach das Markenzeichen Böhmes besser imitieren: die Brille drehen.

Und während man sich bei Focus wundert, wo die Dummen geblieben sind und es - laut sz-online.de - nur noch etwa 60.000 sind, die am Kiosk zu dem Relevanz-Magazin greifen, sieht man bei Gruner + Jahr zu, wie freie Bildredakteure sich zunehmend in in den Dienst anderer Häuser, nicht zuletzt von Axel Springer, stellen. Schlicht, weil die nicht so schlecht zahlen wie G + J, deren Tagessatz mitunter 40 Prozent niedriger ist.

Aus Solidarität mit "unseren Soldaten", die schon länger nicht mehr das ARD-Programm, also "Verbotene Liebe" gucken können, hat die Bild am Dienstag statt des ARD-Fernsehprogramms einen schwarzen Balken gedruckt. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was die Bild will. Die sollen doch nicht mithilfe unserer Steuergelder TV glotzen. Wo sind wir denn?! Bei Hindukusch-Rolf? Die sollen gefälligst unser Land verteidigen. Ich sag nur "Weihnachtsmarkt". Und verabschiede mich kopfschüttelnd in den Heimaturlaub!

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Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!

1 Kommentar

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  • K
    KoksGräfin

    "Zwei Jahresrückblicke, die sich mit dem Ableben von Kulturschaffenden 2010 befassen, der des SZ-Magazins und der von "Aspekte", schaffen es, Schlingensief nicht zu erwähnen."

     

    unglaublich. ist das die rache dafür, dass schlingensief sich zeitlebens nicht dem selbstverliebten bildungbürgertum vor die füße werfen wollte, sondern im gegenteil immer und ganz bewusst "nach unten offen" war und blieb?

     

    schöne idee mit der strafe für die programmverantwortlichen a...gesichter, dazu noch eine woche slumaufenthalt, barfuß, halbnackt und selbstverständlich ohne kohle und presseausweis.