Kolumne Kriegsreporterin: Das Grauen des lila Sakko-Monsters

Ich glaube, ich bin traumatisiert. Wenn der Krieg im Kopf stattfindet, wenn er weitergeht, nachdem man das Schlachtfeld verlassen hat, hat man ein Trauma.

Ich habe ein Trauma. Und verlange Traumazulage! Von der kaufe ich mir eine Faltencreme extra, um die Gräben aufzupolstern, die die Träume in mein Antlitz gefräst haben. Dass ich von immer mehr Artikeln träume, die geschrieben werden müssen, damit das Geld stimmt und ich weglaufe, die Artikel aber immer schon dort sind, wo ich ankomme, kann man als Schicksal einer Dummen verbuchen, die ja auch Zahnärztin hätte werden können oder PR-Maus.

Dass ich aber, bestens gesättigt, das Brausen des Meeres im Ohr von Thomas Gottschalk träume, der in einem rosa-lilafarbenen Clownssakko mit den Worten "Hallo, Silke!" auf mich zukommt, während ich in Berlin auf der Straße auf einem Sofa sitze, und ungebeten ein Interview gibt, bei dem sich ein Redeguss über mir erbricht, dessen Sätze immer mit "mehr kann ich noch nicht sagen" enden und ich anschließend bei meiner Freundin unter dem Bett einen Föhn suche, muss als berufsbedingte Schädigung meiner Psyche gewertet werden.

Wie gesagt: Traumazulage! Und eine Maltherapie. Bei einem Therapeuten mit schönem, langem, dunklen Haar. Und groß gewachsen soll er sein. Und in Italien arbeiten, selbstverständlich. Ja, das Sakko, das müsst Ihr erst mal wiedergutmachen …

Ansonsten allerdings bleibe ich diese Woche eher im Kleinen. Schließlich besteht die Freiheit im Urlaub in der Freiheit, zu ignorieren, was andere denken. Und im Angesicht der global-japanischen Tragödie wird die Spekulation, ob Veronica Ferres eine tapfere Mutter spielen wird, sollte Sat.1 das Drama zu einem Eventmovie verwursten "8,9 - Ein Land in Erschütterung" oder "Ve Ma-Mey" - Eine Frau kämpft", schlicht schal.

Bleibt nur der Blick auf das, was im Urlaubsflugzeug rumliegt. Die Neuauflage des Prostatamagazins Apotheken Umschau etwa, das bei Springer unter dem Titel Hörzu erscheint. Thema: besser leben, wenn man 60 Jahre alt ist. Oder sogar noch älter. Wozu Bilder eines hüpfenden Paares gezeigt werden, das in der Gesamtzahl seiner Jahre gerademal die 60 überschreitet.

Am Ende des Heftes, wo vor allem die Prostata richtig wehtut, kolumnisiert Hans Zippert von jeglicher Komik - durch das Alter? - befreit darüber, wie erstaunlich weit der falsche Doktor zu Guttenberg gekommen sei - schließlich war er nicht mal Frauenarzt. Meine Güte, was habe ich gebrüllt vor Lachen! Gar keine Luft habe ich mehr bekommen, bis endlich die Sauerstoffmaske aus der Kabinendecke herunterfiel.

Ganz süß sind aber auch die Schafe, die die Hörzu-Leute auf den Seiten ihres Heftes verstreuen wie andere Leute Käse über der Pizza. Alles nur, um richtig Laune zu machen für den Hörzu-Ableger Heimat, der mit Schafen als Titelthema einen wahren Oster-Scoop landet. Blattmachen, das beweist Chefredakteur Christian Hellmann einmal mehr, ist vor allem ein Bauchgefühl. Aber nicht allen ist das Geschenk von Bauch zuteil geworden. Um die Depplinge der Presse vor allzu großer Autonomie zu schützen, schickt Vestas, ein Unternehmen für Wind-Irgendwas, eine Umgangsanleitung für Zitate seiner Pressesprecherin (!) um die Erde.

"Bitte beachten Sie Folgendes:", heißt es, "Das genannte Zitat ist nur wörtlich unter der Bedingung freigegeben, dass Vestas den fertigen Artikel mit Art der Verwendung zur Ansicht vor Veröffentlichung erhält." Ganz im Urlaubs-Ommmm lasse ich diesen nicht statthaften und inhaltlichen Quatsch unkommentiert und gebe zurück nach Berlin. Kümmert Ihr Euch um die Irren aus der PR!

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Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!

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