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Kolumne KlatschKlingelingeling – die Mafia

Die modernen Verbrecherorganisationen heißen heute Jamba oder Debitel. Bei Anruf: Abbuchung.

M ein Respekt gilt heute an dieser Stelle den Herren Provenzano, Raccuglia, Di Stefano und all den anderen "Ehrenmännern" vom Geschäftszweig der sizilianischen Cosa Nostra. Das sind noch anständige Kerle. Ich ziehe den Hut. Wenn ein Ladenbesitzer in Palermo sein Schutzgeld nicht bezahlt, schicken die Bosse zum Eintreiben der "Schuld" noch jemanden persönlich vorbei. Auch das Einschlagen der Schaufenster oder das Abfackeln des Autos ist bei der Mafia bis heute echte Handarbeit. Davon können sich die Kollegen in Deutschland noch eine Menge abschneiden.

Nördlich der Alpen hat sich die Mafia so schön klingende Namen wie Jamba oder debitel gegeben. Jamba handelt mit Klingeltönen fürs Handy, ist also eine auf Kindesmissbrauch spezialisierte Organisation. Sie zieht Kindern und Jugendlichen beziehungsweise deren Eltern das Geld aus der Tasche, selbstverständlich völlig legal. Eine Verbrecherorganisation mit Handelsregistereintrag und "allgemeinen Geschäftsbedingungen", mit Vorstand und Chefsekretärin. Die Herren der Mafia in Deutschland müssen sich nicht in abgelegenen Bauernhöfen verstecken.

So ein Klingelton-Abonnement für das Handy kostet in der Woche sechs Euro. Macht im Monat 24 Euro. Keine Ahnung, welche Klingeltöne man dafür erhält, aber bei diesem Preis würde ich mindestens Beethovens Neunte erwarten. Ich kenne die Preise deshalb so genau, weil sie jeden Monat auf meiner debitel-Telefonrechnung auftauchen, seit mein 11-jähriger Sohn in einem unbewachten Augenblick meine Sim-Karte in sein Handy einlegte. Dabei scheint er absichtlich oder aus Versehen fünfmal die 3 gewählt zu haben. Das genügt und man ist "Abonnent".

Bild: privat

Philipp Maußhardt (49) ist Mitglied der Reportage-Agentur "Zeitenspiegel" und hat große Angst davor, seine Leser zu langweilen oder einzuschläfern. Darum klatscht er beim Schreiben oftmals laut in die Hände in der Hoffnung, dass sie es beim Lesen hören.

Selbstverständlich bezahle ich das nicht. Schließlich ist ein 11-jähriger Junge nicht geschäftsfähig. Es kommen in letzter Zeit zwar immer häufiger Droh- und Mahnbriefe der Telefongesellschaft, und das Handy wurde in der Zwischenzeit von diesen Halunken gesperrt. Aber das macht mir nichts. Niemals werde ich Geld für ein Klingelton-Abonnement bezahlen! Das käme schließlich dem Straftatbestand der "Unterstützung einer kriminellen Vereinigung" (§ 129 Abs. 1 StGB) gleich.

Im Jahr 2007 lag, laut einem Bericht der EU-Kommission, der europaweite Umsatz mit Klingeltönen bei 691 Millionen Euro. Da muss es selbst auf Sizilien geklingelt haben. Offenbar ist mit dem Taschengeld von Kindern mehr Gewinn zu machen als mit Schutzgelderpressung oder illegaler Müllentsorgung.

Zwar hat die EU einige der Firmen abgemahnt und ein bisschen Bußgeld verteilt, darunter auch an Jamba. Aber das stört die nicht weiter bei so satten Einnahmen und der bequemen Einzugsermächtigung. Nach außen geben sie sich nett und harmlos. So hat die Sprecherin von Jamba in einem Interview erklärt: "Wenn ein Kind ein Produkt bei uns ohne Zustimmung der Eltern bestellt, dann erstatten wir die Kosten zurück." Wer sich aber darauf beruft, bekommt eine ganz andere Antwort: "Sofern Sie vortragen, die Bestellungen seien durch eine minderjährige Person durchgeführt worden, müssen wir dies zunächst höchst vorsorglich mit Nichtwissen bestreiten."

Ob ich mit meiner Zahlungsverweigerung bei einem Gericht durchkomme, ist noch nicht sicher. Ein Rechtsanwalt legte die Stirn in Falten, als ich ihm mein Leid klagte. Egal. Ich bezahle nicht! Niemals! Eher gehe ich ins Gefängnis. Dort sitze ich dann und werde versuchen, mein Weltbild wieder in Ordnung zu bringen: Die Mafia ist draußen und ich bin hinter Gittern.

PS: Gerade war der Postbote da. Er brachte wieder einen Brief von Jamba. Vorsichtig öffnete ich ihn. Uff! Ich muss doch nicht ins Gefängnis. Sie haben mir tatsächlich die Abo-Kosten zurückerstattet und sehen damit "die Angelegenheit als erledigt" an. Bestellungen von Minderjährigen, so schreibt ein Herr Customer Service, würden sie "kulant behandeln". Und weiter. "Diese Einstellung gehört selbstverständlich zur Kundenphilosophie." Vielleicht sind die doch keine Verbrecher.

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Philipp Mausshardt
Journalist, Mitbegründer der Zeitenspiegel-Reportageschule, hält Brandenburg für die neue Toskana.

8 Kommentare

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  • C
    churchill

    Wieso soll ein Kind nicht auf die Idee kommen,einmal eine Nummer zu wählen ,die ihm die Medien doch Quasi jeden Tag suggerieren!!!Ich bekomme und das ganz ehrlich,von Debitel Rechnungen die ich nie verursacht haben kann,weil die Sim nicht benutzt wurde!!??L.G

  • M
    marija

    Das ist kein Schwahsinn sondern Realitet

    die stellen ihre Dienste auf dem Rechnung und fragen nicht weiter ... ich habe solche Service nie benützt aber trotzdem in der Rechnung von E-mail vertrag gestellt und was nun??? warum solte ich zahlen für irgendwas dass ich nie benutzt habe oder bestellt

    armes Deutschland hier sind die Cappos von Casa nostra noch nicht gesctorben

  • R
    R.W.

    Meine 12jährige Tochter wollte sich aufgrund einer Anzeige in einer Kinderzeitschrift (Thema Pferde, typisches Alter der Leserschaft unter 14 Jahren!) ein Bildchen aufs Mobildings laden und ist mit dem Versenden einer SMS ein Abo eingegangen - pro Woche für ca. 5 Euro. Erst übers Internet fand ich heraus, wie das Abo abbestellt werden kann. Das Geld bekamen wir erst nach zwei Schreiben mit Kopie ihres Ausweises zurück, da sie noch unter 14 Jahren ist. An jeder Ecke lauert jemand, der einem das Geld abbuchen kann - und das auf legalem Weg. Der Lerneffekt für meine Tochter war enorm, seitdem ist sie übervorsichtig. Uns Eltern hat's enorm viel Zeit gekostet. Hut ab vor denjenigen, die die Anzeige in der Kinderzeitschrift aufgegeben haben, sie haben eine Lücke zum Absahnen in unserem System entdeckt - wie viele andere auch.

  • M
    Messias

    So einen Schwach"sinn" habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Der Autor sollte sich informieren und nicht solch eine Polemik verbreiten.

  • HM
    Herr Michels

    Ohne zu viel Kritik an dem Artikel aussetzen zu wollen, aber im Fall von debitel oder jamba beispielsweise von Mafia zu sprechen, halte ich nicht nur für falsch, sondern sogar gefährlich. Ich bin kein Unterstützer von Jamba, aber hier handelt es sivch um gezielte Abzocke, die aber nicht mit organisierter Kriminalität sondern vielmehr mit einer Art Kartellkriminalität zu vergleichen ist. Davon abgesehen ist nicht organisierte Kriminalität gleich Mafia. Vorsicht. "Wenn alles Mafia ist, dann ist gar nichts mehr Mafia." - Giovanni Falcone

  • V
    vic

    "Vielleicht sind die doch keine Verbrecher"

     

    Doch, sind sie. Und sie sind nicht die Einzigen.

  • DB
    Dieter Brenner

    11jähriger Sohn klaut Papis Handy, tauscht SIM-Karte und wählt zufälig 33333.

    Ich glaube da ist eine Familientherapeut gefragt und so ein Jamba-Abo sehe ich dann als adäquate Strafe an.

  • R
    reblek

    "Zwar hat die EU einige der Firmen abgemahnt und ein bisschen Bußgeld verteilt..." Ich will doch hoffen, dass die EU das Bußgeld kassiert hat.