Kolumne Kapitalozän: Eine Frage an die Alienforschung
Könnte man ein zivilisiertes Insekt fachgerecht wickeln? Sollte das Weltall voller Kapitalisten sein, ließe sich die Frage durchaus beantworten.
E s ist sehr gut, dass mein Sohn kein Käfer ist. Wie er strampelt, beim Wickeln, so vergnügt und doch mit gewisser Ernsthaftigkeit, da denke ich mir oft: Hätte er sechs Beinchen, ich wäre komplett überfordert. Es ist auch sehr gut, dass mein Sohn kein Marsmännchen ist. Er hasst es sehr, wenn ich ihm einen Strampler über den Kopf ziehe; nicht auszudenken, was passierte, wenn da auch noch zwei an Fühlern baumelnde Augen im Weg wären.
Was mich zur eigentlichen Frage bringt. Sie ist noch nie von einem Journalisten zuvor gestellt worden: Falls es außerirdische Zivilisationen gibt, sind das dann kapitalistische Gesellschaften? Die Frage ist berechtigt. Sie lässt sich direkt aus dem Glaubensbekenntnis unseres ökonomischen Systems ableiten: „Ich bekenne im Namen der unsichtbaren Hand des Marktes, dass nur der Kapitalismus Fortschritt brachte und bringt. Amen.“ Damit brachte der Kapitalismus auch unsere Fähigkeit, das All zu erforschen. Und jetzt erkläre mir mal einer, warum das bei zivilisierten Aliens anders sein sollte.
Zu dieser These habe ich zwei Experten befragt: den US-Astronom Seth Shostak, Leiter das Seti-Instituts in Mountain View, Kalifornien; sowie den kasachischen Astrobiologen Maxim Makukov vom Fesenkov Astrophysical Institute in Almaty.
Das Kapitalozän ist die linksökologische Erweiterung des Anthropozäns. Demnach ist es nicht der Mensch an sich, der Ánthropos, der den Planeten geologisch verändert. Nein, es sind die Kapitalisten. Schließlich können, global gesehen, die meisten Menschen nichts für die Naturzerstückelung.
Am Seti-Institut suchen sie das All nach Signalen außerirdischer Zivilisationen ab, bisher erfolglos. Vor ein paar Jahren hab ich Shostak besucht, er ist sehr sympathisch und sammelt in seinem Büro Alien-Knubbelfiguren, die ihm Fans schicken. Makukov wiederum veröffentlichte im Juli im renommierten International Journal of Astrobiology eine von der Fachwelt völlig ignorierte Arbeit. Darin vertritt er folgende These: Vor Hunderten Millionen Jahren schickten Außerirdische interstellare Roboterraumsonden zu entfernten Planeten, um dort Einzeller abzusetzen und so das Leben zu verbreiten. Auch zur Erde. Francis Crick, Entdecker der DNS-Doppelhelix, vertrat diese These übrigens auch. Makukov will nun eine Signatur der Aliens in unser aller DNA entdeckt haben.
Shostak schrieb mir zurück, meine These sei sehr interessant. „Sicher dürfte sein, dass die Ausbeutung von Ressourcen in unserem Sonnensystem – was in den nächsten 100 Jahren kommen könnte – von privaten Unternehmen getrieben sein wird.“ Aber generell gebe es Raumfahrt auf der Erde aber auch in nichtkapitalistischen Gesellschaften. Ich entgegne da nur: Ja, klar, Sputnik, Hündin Laika und Juri Gagarin. Alles Kommunisten. Aber Marx nicht gelesen? Ohne Kapitalismus kein Kommunismus.
Makukov schrieb: „Intelligenz ist ohne Gesellschaft nicht möglich.“ Evolution sei der einzige bekannte Mechanismus, der komplexe biologische Systeme hervorbringe. Da kooperiere ständig alles. Deshalb, so Makukov, sei nicht zu erwarten, dass es intelligente außerirdische Wolken oder schlaue Ozeane gebe. „Falls wir Außerirdische treffen und die sich als Kapitalisten entpuppen, mich würde das nicht überraschen“, so Makukov.
Mich würde das deprimieren. Aber einmal zuschauen, wie man sechsbeinige Babys wickelt, dafür nehm ich auch Kapitalistenaliens.
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