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Kolumne GerüchteWas tun im Urlaub?

Es gibt viele Möglichkeiten, die Zeit totzuschlagen. Aber noch schöner ist es, sie totzuschießen

Bild: privat

Philipp Maußhardt (49) ist Mitglied der Reportage-Agentur "Zeitenspiegel" und hat große Angst davor, seine Leser zu langweilen oder einzuschläfern. Darum klatscht er beim Schreiben oftmals laut in die Hände in der Hoffnung, dass sie es beim Lesen hören.

Nehme ich alle Bremsen, Schnaken, Wespen und Fliegen einmal aus, habe ich mit eigener Hand noch nicht sehr viele Tiere getötet. Eigentlich gar keines, wenn ich mich recht entsinne. Als bewussten Akt des Tötens zählen auch nicht wirklich der Feldhase, das Reh und die Katze, die ich im Laufe meines bisherigen Autofahrer-Lebens totgefahren habe.

Den Hasen, der mir im Dunkeln gegen die Stoßstange gelaufen war, lud ich im Übrigen in den Kofferraum, zog ihm zu Hause das Fell über die Ohren, zerlegte ihn und machte ein köstliches Hasenklein daraus. Bei Reh und Katze hielt ich erst gar nicht an, um mir den Anblick zu ersparen, den ich selbst angerichtet hatte. Aber an das Geräusch, als Tier und Auto kollidierten, erinnere ich mich noch heute mit Schaudern.

Nein, ich könnte das nicht, was mein Freund Walter macht, wenn in seiner Wohnung sich wieder eine Maus hinter den Schränken versteckt hält: Er setzt sich in den Sessel, das Luftgewehr im Anschlag und wartet. Auf dem Parkettboden kann man die Striemen der Gewehrkugeln noch erkennen, die von seinen Mäusejagden erzählen. Theoretisch könnte ich das natürlich auch, denn ein Luftgewehr besitze ich ebenso. Streng genommen gehört es meiner Frau. Ich schenkte es ihr vor etwa zehn Jahren zu Weihnachten, in der Hoffnung, dass sie damit nichts anzufangen wusste und mir die Waffe überließ. Was ja dann auch so war. Seither sind das Luftgewehr und ich eine nicht zu trennende Einheit in den Ferien.

Von der Terrasse des Ferienhauses ziele ich in den Garten, wo ich zwischen zwei Apfelbäumen die Wäscheleine aufgehängt habe. Eine Sammlung alter Socken bewahre ich für diesen Fall immer auf, die ich mit hölzernen Wäscheklammern in kurzen Abständen auf die Leine hänge. Dann schieße ich Socke für Socke mit dem Luftgewehr von der Leine. Bei einem Volltreffer spritzt die Wäscheklammer in viele Teile auseinander und der Socken fällt zu Boden. Jemandem, der in den Ferien noch nie Socken von der Leine schoss, die Freude zu beschreiben, wenn der Socken ins Gras fällt, ist wahrscheinlich nicht einfach. Aber man kann es vielleicht vergleichen mit dem Gefühl, einen Dreitausender bestiegen oder beim Minigolf mit nur einem Schlag den Ball ins Loch befördert zu haben. Man möchte jedenfalls jubeln.

Das Ferienhaus liegt etwas abseits, um genau zu sein: eigentlich sehr abseits, und so versammeln sich in den Monaten der Abwesenheit darin alle Tiere des Waldes, zumindest jene, die durch Ritzen und Luken ins Innere des Hauses gelangen wie Mäuse, Ratten und Schlangen. In diesem Jahr befand sich nach dem Öffnen der lange verschlossenen Türen ein Skorpion in der Dusche, eine etwa ein Meter lange Schlange hatte es sich auf dem Handtuchhalter bequem gemacht, und in der Küche zeugten Mäuseköttel auf dem Herd von der Anwesenheit der Nager. Schlange und Skorpion waren mit dem Besen schnell entfernt, nur die Maus sprang ungeniert jeden Tag unter dem Küchenschrank hervor und hüpfte von dort auf die Ablage an der Spüle. Kinder hatten das kleine Tierchen Frieda getauft und riefen entzückt "oh wie süß", wenn sie erschien. Eine Maus mit Namen zu töten, ist schwierig.

Allein schon die Überlegung, die Maus nach dem Vorbild von Freund Walter mit dem Luftgewehr zu erschießen, löste bei den Kindern einen Proteststurm aus. Gift kam ebenfalls nicht in Frage, und so kaufte ich im Eisenwarenladen für acht Euro und sechzig Cent eine Lebendfalle. Von einer Bauersfrau hatte ich den Tipp mit Nutella bekommen: Damit kriegt man sie alle. Und tatsächlich dauerte es keine Stunde, bis die Falle mit Getöse zuschnappte und Frieda gefangen war. Wir stürzten uns auf die Falle, in der die kleine Maus wie wahnsinnig geworden nach einem Ausgang suchte. Als meine Frau die Falle in die Hand nahm, um sie nach draußen zu befördern, zwängte sie sich durch das Gitter der Falle und verschwand wieder unter dem Schrank. Irgendwie freuten wir uns mit ihr.

Fragen zum Urlaub? kolumne@taz.de Montag: Kirsten Reinhardt KATASTROPHEN

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