Kolumne Geräusche: Hepp, hepp, hepp
Auf der Suche nach einem Soundtrack wider den inneren Schweinehund.
E s war so geil. Die rhyhtmische Körperlichkeit, das gerötete Gesicht, der fließende Schweiß, das pochende Herz, der schwere Atem. Ich machte es einfach gerne. Am liebsten hätte ich es jeden Tag gemacht. Nachdem aber einmal beim Laufen ein Band gerissen war, musste ich es für eine ganze Weile bleiben lassen. Kaum war das Band verheilt, knickte ich auf der Treppe um. Kaum war der Knöchel verheilt, knickte ich vor lauter Einfallslosigkeit einfach noch mal auf der Treppe um. So vergingen die Monate. Und bald die Jahre. Weiter trinkend und speisend, schwemmte ich mählich auf wie der Brahmaputra im Monsun.
Vor vier Wochen aber habe ich wieder damit angefangen. Yeah. Ganz behutsam, alles richtig machen diesmal. Im idyllischen Park nebenan läuft man über weichen Grund, kleine Brücken, vorbei an Ententeichen, einer künstlichen Burgruine und einem echten Schloss. Dieter Baumann würde mit einem beschwingten "hepp, hepp, hepp" auf den Lippen prompt losfedern. Ich fands schrecklich.
Es schreckten mich erstens alle naslang die ihrerseits durch mein frühmorgendliches Herangewalze aufgeschreckten Papageien auf, schrill zeternd stieben sie aus den tief hängenden Zweigen. Und zweitens geht mir mein eigenes asthmatisches Gekeuche auf die Nerven. Ein Ringen nach Atem, ein erbärmliches Pfeifen und Hecheln. Warntöne meiner Hinfälligkeit. Also muss Musik her. Aber was?
Arno Frank ist Autor der taz.
Egal ist das nicht. LCD Soundsystem, Simian Mobile Disco und Aesop Rock haben eigens fürs Laufen feine Musik gemacht. Genau 45 Minuten zum Niederzwingen, Anketten und Wiederloslassen des inneren Schweinehunds.
Leider haben sie es irgendwie für Nike komponiert, also irgendwie nicht für mich. Als würde Philip Glass für Peugeot ein Stück zum Autofahren schreiben. Oder Eminem für Edeka zum Einkaufen. Aber Laufen ist ja nicht nur Quatsch, sondern auch politisch. Es will gut überlegt sein, wozu man sich da stählt und schindet.
Punk beispielsweise will schon vom "Ach, scheiß doch drauf!"-Ethos her so gar nicht zur Selbstertüchtigung passen. Weibischer Metal fühlt sich mit seinen hohen Stimmen an, als liefe ich vor Kreissägen davon; männlicher Metal mit seinen sämigen Gitarren, als stapfte ich durch knietiefen Matsch. Techno soll bei genau 150 BPM eigentlich ideal sein, allerdings wird mir dabei immer so schnell kalt. Bei Jazz will ich mir immer sofort eine Zigarette drehen, bei Reggae oder Dub am liebsten gleich etwas reinbröseln und es mir auf der Bank dort vorne bequem machen.
HipHop irritiert als unsichtbarer Mitläufer, der wesentlich mehr Luft und ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis hat. Und bei klassischer Musik höre ich neben den Streichern allzu oft ein ganz unsymphonisches Pfeifen und Hecheln.
Eine knifflige Sache also. Bis jetzt konnte ich mich mit mir selbst nur auf Stevie Wonders "Higher Ground" einigen, obwohl der Song mit knapp vier Minuten arg kurz ist. Immerhin. Seit drei Wochen hocke ich jetzt schon hochdiszipliniert an der Playlist. Kann dauern. Aber bevor die nicht perfekt ist, gehe ich nicht mehr laufen.
Text: "And have you ever wanted something so badly that it possessed your body and your soul through the night and through the day? Until you finally get it? And then you realise that it wasnt what you wanted after all? And then those selfsame sickly little thoughts now go and attach themselves to something or somebody … new! And the whole goddamn thing starts all over again. (The The, "True Happiness This Way Lies")
Musik: Das Wort "Pfropf".
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