Kolumne Geht's noch?!: Wo ist der Mutwille, Öko-Mongolen?

Einst fürchtete die Welt die Reiter des Dschingis Khan. Die Eroberer von einst wurden selbst Eroberte. Sie wollen nun Sonnenenergie exportieren. Wie arm.

Die Mongolen-Hauptstadt Ulaanbaatar bei Nacht. Sie könnte einst nur mit Wind- und Sonnenenergie betreiben werden Bild: reuters

Sicher, es gibt keine ökonomische, sondern nur noch eine ökologische Utopie. Aber doch nicht so, wie sie jetzt die beiden Präsidentschaftskandidaten in der Mongolei verwirklichen wollen. Nämlich das Land mit Hilfe ausländischer Konzerne zu einem Großexporteur von Energie aus Wind- und Sonnenkraft zu machen. Also wieder Gold in Scheiße zu verwandeln.

Die Mongolei besitzt riesige Vorkommen an Öl, Gold, Molybdän und Diamanten. Als das Land dies alles nach 1991 zur Privatisierung freigab, fielen ausländische Bergbauunternehmen darüber her. Mit Bestechung und Heimtücke rissen sie sich die besten Lagerstätten unter den Nagel.

Wo sind bloß unsere Intellektuellen? Die Titelgeschichte „Auf der Suche nach Adorno“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 29./30. Juni 2013. Darin außerdem: „Die verneinte Idylle": Eine Fotoreportage über sterbende Dörfer. Und der Streit der Woche zur Frage: „Stuttgart, Rio, Istanbul: Schafft Wohlstand Protest?“ Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Der Konzern „Ivanhoe Mines“ erschöpfte in fünf Jahren eine Goldmine – ohne dass auch nur ein Mongole etwas davon hatte. Aus Wut darüber zerstörten „Randalierer“ 2008 das halbe Stadtzentrum der Hauptstadt Ulaanbaatar. Derzeit versucht der Multi „Rio Tinto“ mit einer Kupfermine dasselbe.

Klar, in der Steppe gibt es genug Wind für alle und das Land hat 280 Sonnentage im Jahr – ideal also für die Produktion regenerativer Energien. Und seit fast 20 Jahren steht an fast jeder Jurte ein chinesisches Solarpanel für 80 Dollar, meist um Fernsehen zu empfangen. Die Ressourcen sind also nicht das Problem.

Aber einst konnten die Mongolen als gefürchtetes Reitervolk in Asien und Osteuropa fast allen Sesshaften Pflichten auferlegen. Doch später pazifizierten sie die Chinesen mit einer Unmenge Buddhisten-Mönche, den letzten nomadischen Mutwillen trieben ihnen die Sowjets mit der Kollektivierung der Landwirtschaft aus.

Die Eroberer von einst wurden in gewisser Weise selbst Eroberte. Das spiegeln auch ihre Körper: Die Mongolen sind kleiner geworden. In den Lederrüstungen aus den Zeiten Dschingis Khans, die heute im Nationalmuseum liegen, würden sie wie Kinder versacken. Dafür werden umso größere Denkmäler des Feldherrn errichtet.

Mongolische Politiker gehen heimlich davon aus, dass das Nomadische ihrer Untergebenen überwunden werden muss – die finden sich über kurz oder lang als zur Sesshaftigkeit gezwungenes Prekariat in städtischen Slums wieder. Die Ausbeutung auf Wind- und Sonnenenergie auszuweiten, wird diese Verelendung beschleunigen.

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geb. 1947, arbeitet für die taz seit 1980, Regionalrecherchen, ostdeutsche Wirtschaft, seit 1988 kulturkritischer Kolumnist auf den Berliner Lokalseiten, ab 2002 Naturkritik.

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