piwik no script img

Kolumne Fußball im EishockeylandHochhausinsel im Regenwald

Doris Akrap
Kolumne
von Doris Akrap

Der Irrsinn hat sich gelohnt. Am Ende der WM in sechs Zeitzonen und nach vielen Kilometern Reiserei kam das Beste wirklich zum Schluss: Vancouver.

Minifähre vor Großer Skyline: Rumsausen auf dem False Creek. Foto: Doris Akrap

T oronto und die Niagara-Fälle nicht sehen, dafür aber 5.000 Kilometer über die Rocky Mountains reisen, was für eine Schnapsidee, hatte ich von Montréal aus gedacht. Ich nehme alles zurück. Das Finale in Vancouver zu spielen, war die beste Entscheidung, die die windigen Organisatoren dieser WM in sechs Zeitzonen getroffen haben.

Was wäre mir entgangen, hätte ich dieses „Hollywood North“ verpasst: die schönsten Hochhausinsel der Welt, niedlichste Minifähren, mit denen man den ganzen Tag auf Flüssen und Ozeanen hin und herdüst, um von einem versteckten Eck ins andre verwinkelte Eck von Downtown zu sausen, Regenwaldreste mitten in der Stadt, die man aber nur entgegen des Uhrzeigersinns mit dem Fahrrad befahren darf, Zebrastreifen in Regenbogenfarben, Strände ohne Ende, Sonnenuntergänge zwischen Ozean und Hochgebirge, Kreativbettler mit Schildern: „I want change – like Obama“ und ein Steward, der sich im Flugzeug dafür entschuldigt, dass das Wlan nicht funktioniert, weil der Kapitän sich weigere ein bisschen weiter links Richtung USA-Luftinternet zu fliegen.

38 Kilometer von der US-Grenze entfernt ist diese Stadt das mildeste, entspannteste und freundlichste Wesen, das ich je getroffen habe. Selbst die Hochhaustürme beugen sich hier herunter und fragen höflich nach, ob sie weiterhelfen können.

Das machen sie auch ein bisschen aus schlechtem Gewissen. Die freundlichen Hochhäuser haben den Platz vieler kleiner Strandstadthäuser eingenommen, deren Charme man in einigen Vierteln noch bestaunen kann. Es sind nur noch besser Verdienende, die in den hübschen Türmen wohnen können. Der Rest sitzt auf der Straße.

„Ich kann die Stadt nicht verlassen, weil sie zu freundlich zu mir ist“, sagt der Obdachlose John. Während er mir am English Bay Beach aus seinem Leben erzählt, fährt ein Schiff mit Transparent vorbei: „System Change – Climate Change“. „I need change“ ruft John den Aktivisten zu. Von mir will er keines. „Just keep changing“, lacht er. Das schönste Lebensmotto, das ich je gehört habe.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!