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Kolumne Fremd und befremdlichBessere Geschöpfe

Schweine stehen Hunden in nichts nach. Aber der Hund ist der König unter den Tieren in der Menschenwelt. Nur so lässt sich die Online-Petition „Lasst Chico leben! erklären.

Hundehalter sind Egoisten: Ihr Hund hilft ihnen, sich besser zu fühlen Foto: dpa

Unsere Familie hatte immer Hunde. Ich selber hatte einen Dackel und dann einen Jack Russel. Ich schätze die Anwesenheit von Hunden. Ich glaube durchaus an den therapeutischen Wert, sie lösen gute Gefühle in uns aus. Ich habe mich letztens mit einer Freundin unterhalten, die meinte, es wäre durch und durch egoistisch, sich in der Stadt einen Hund zu halten. Ich würde sagen, es ist auch durchaus egoistisch, einen Hund auf dem Lande zu halten.

Es ist immer und in jedem Falle egoistisch, sich einen Hund zu halten. Wir tun dies ausschließlich zu unserem eigenen Wohlbefinden. Ich würde auch noch weiter gehen, ich bin davon überzeugt, dass auch kein Mensch aus altruistischen Gründen Kinder in die Welt setzt. Wir tun dies nur, weil wir diese Kinder oder Hunde „haben wollen“. Weil wir denken, dass wir uns damit besser fühlen, vollständiger, wir erhoffen uns Anerkennung und Liebe, wir erhoffen uns Stolz.

Im Hinblick auf die Elternschaft, insbesondere der Mutterschaft, existiert da in der Gesellschaft ein völlig verklärtes Bild. Aber auch Hundefreunde, zu denen ich mich ausdrücklich zähle, halten sich für die besseren Menschen, weil sie ihre Fürsorge einem „unschuldigen“ Tier zukommen lassen.

Viele Hundefreunde halten Hunde für die besseren Geschöpfe, dankbar, hingebungsvoll, wie das eigene Gör nie in der Lage wäre zu sein. Aber wie das eigene Kind, so sollte auch der eigene Hund einer Erziehung unterworfen sein, weil er die an ihn gerichteten Erwartungen sonst enttäuschen und der erhoffte Stolz sich in Scham wandeln könnte. Dann heißt es, man hat in der Erziehung versagt.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr neuer Roman „Das Dorf“ ist kürzlich bei Rowohlt Berlin erschienen.

Ich muss gestehen, dass ich meine Hunde nicht besonders gut erzogen habe, insbesondere der kleine Jack Russell Terrier war ein angriffslustiger Kläffer, der mich nur einmal stolz gemacht hat, als er nämlich in Blitzesschnelle eine riesige Holsten-Brauerei-Ratte in meinem Garten mordete. Aber ich konnte froh sein, dass er so klein war, denn sonst hätte auch er vielleicht eine Gefahr für seine Umgebung bedeuten können.

Der Jack Russell Terrier war ein angriffslustiger Kläffer, der mich nur einmal stolz machte

Zumindest in dieser Hinsicht bin ich mit meinen Hunden vernünftig gewesen, ich hätte mir nie einen Hund ausgesucht, dem ich nicht körperlich hätte überlegen sein können, den ich nicht mit meinen eigenen Händen davon hätte abhalten können, einen Menschen zu vaben meine Hunde nie jemanden.

Nun sind eben gerade zwei Menschen in der Nähe von Hannover von einem großen und starken Hund, einem Staffordshire-Mischling, totgebissen worden. Der Hund wurde offenbar, und wie mehrfach vorher von kompetenten Menschen festgestellt, schlecht gehalten und war aufgrund einer falschen Erziehung zudem gefährlich, eine Hundetrainerin bezeichnete ihn als „Kampfmaschine“. Zwei Menschen sind jetzt tot. Man bedenke dies. Zwei Menschen sind durch diesen Hund ums Leben gekommen!

Und da interessiert es die Leute in allererster Linie, was mit diesem unglücklichen Hund passiert. Es gab eine Online-Petition, die auch in meiner Facebook-Timeline aufgetaucht ist. Natürlich hat der Hund keine Schuld daran, dass er zu einer „Kampfmaschine“ gemacht wurde, ein Hund kann keine Schuld haben. Er ist ein Hund. Eben das unterscheidet ihn vom Menschen, seine Unverantwortlichkeit. Aber er ist nun mal jetzt diese „Kampfmaschine“.

Wir haben Millionen Tiere in unseren Ställen, die kein Jahr leben dürfen, die noch in der Pubertät getötet werden, damit wir sie essen können. Oder unser Hund. Denn unser Hund isst Fleisch von Tieren, die getötet werden. Deren Leben liegt uns nicht so am Herzen, wie das unseres Hundes. Der Hund ist der König unter den Tieren in der Menschenwelt.

Wie viele Tiere vertilgt so ein Staffordshire-Mischling im Laufe seines Lebens? Ein Hund ist ein Tier wie ein Schwein. Ein Schwein steht dem Hund in nichts nach. Es ist ebenso intelligent, lernfähig und zärtlich. Aber wir lieben es nicht. Wir lieben den Hund.

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4 Kommentare

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  • Haltung aus egoistischen Gründen,um glücklicher zu sein, geht ja noch. Viel Schlimmer ist aber, was dem Hund aber auch der Umwelt damit angetan wird... Das ist auf jeden Fall egoistisch!

  • Was soll das? Der Hund kann sich doch nicht aussuchen wie er lebt, da ist er genau wie das Schwein auf das (gnädige) Verhalten des Menschen angewiesen. Dieser Hund wurde lebenslang in einem 50*100 cm Käfig gehalten. Das er sich erst nach 8 Jahren zur Wehr setzt, ist das eigentlich verwunderliche daran, zumal die Behörden ja mehrfach informiert waren und klar versagt haben.

     

    Die Autorin stellt hier fest, das er getötet werden kann, weil wir uns Tieren gegenüber ja sowieso verbrecherisch verhalten, können wir bei Chico auch gleich weitermachen. Inhuman ist noch beschönigt für diese Argumentation.

    • @el presidente:

      Nein, die Autorin stellt treffend fest, dass es scheinheilig und merkwürdig selektiv ist, dass so viele Menschen sich derart vehement für das Überleben eines einzigen Hundes einsetzen, der für immer eine Gefahr für Menschen (und vermutlich andere Hunde) sein wird. Das wirkt lächerlich angesichts des Umstandes, dass hierzulande jährlich 60 Millionen ebenso intelligente und empfindsame Schweine geschlachtet werden, nachdem die meisten von ihnen zuvor ihre sechs kurzen Lebensmonate auf weniger als einem Quadratmeter gefangen und turbo-gemästet gehalten werden.

      https://www.bmel.de/DE/Tier/Nutztierhaltung/Schweine/schweine_node.html

      • @Andreas V.:

        Ganz ihrer Meinung!